Lob der Mainzelmännchen

Viele belächeln sie und halten sie für altmodisch. Doch die Mainzelmännchen haben seit 50 Jahren eine Mission: Die Werbung für den Zuschauer attraktiver zu machen. Daran sollten sich alle TV-Sender ein Beispiel nehmen. Dazu habe ich meine jüngste Kolumne für „Springer for Professionals“ geschrieben.

Viele belächeln sie und halten sie für altmodisch. Doch die Mainzelmännchen haben seit 50 Jahren eine Mission: Die Werbung für den Zuschauer attraktiver zu machen. Daran sollten sich alle TV-Sender ein Beispiel nehmen.

Über die Mainzelmännchen wurde in jüngster Zeit öfter geredet. Tragischer Weise verstarb ihr Erfinder und Chef-Zeichner Wolf Gerlach, als das ZDF gerade ihr 50järhiges Dienstjubiläum feierte. Zum 50. veröffentlichte die ZDF-Werbung auch eine Studie, die nicht nur die Beliebtheit der Trickfiguren dokumentierte, sondern auch zeigen sollte, dass sie die Wirkung der Werbung fördern. Die Studie wies nach, wie auch schon ähnliche Untersuchungen vorher, wie erfolgreich die Mainzelmännchen sind: Sie sind Wirkungsverstärker, Sympathieträger und Kämpfer für eine erhöhte Werbeakzeptanz. Leider sind sie dabei aber allein auf weiter Flur.

Mischung aus Reklame-Rauschen und Déjá-Vu

Was haben die kommerziellen TV-Sender gemacht, während die Mainzelmännchen ihre Kapriolen im Dienste der Werbeakzeptanz vollführten? Sie haben im Grunde den Werbeblock kontinuierlich entwertet. Durch die Inflation von Sonderwerbeformen ist das Programm mit Werbung durchwuchert. Bevor der Werbeblock losgeht, gibt es Splitt-Screens, Programmsponsor-Hinweise, Single-Spots, Gewinnspiele, Hinweise auf Websites und Teletext-Angebote, Bildschirm-Crawler und vieles mehr. Die dadurch erzeugte Unruhe überträgt sich auf den Zuschauer, er wird zum Umschalten geradezu aufgefordert. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz: Sonderwerbeformen wurden einst erfunden, um dem zunehmenden Zapping-Verhalten Rechnung zu tragen. Dadurch wird aber die Kommerzialisierung und Fragmentierung des Programmflusses weiter gefördert. Der Erfolg: Dem Rezipienten fällt es noch leichter zu zappen. Und falls er mal beim Sehen seiner Lieblingsserie brav beim Werbeblock ausgeharrt hat (oder rechtzeitig wieder zurückschaltete), dann wird er damit belohnt, dass er die letzten zwei Minuten vor dem Block nun nochmal gezeigt bekommt. Fernsehen heute ist eine Mischung aus Reklame-Rauschen und Déjà-vus.

Wie anders ist dann die Rezeptions-Situation beim ZDF, wo die Mainzelmännchen tapfer ihren Dienst tun. Die Studie des ZDF-Werbefernsehens zeigt, wie die Stimmung der Werbeblock-Zuschauer durch die Cartoons verbessert wird, was nicht nur die Akzeptanz der Werbung erhöht, sondern auch deren Wirkung. Das ZDF nennt dies in seiner Studie „Die Magie der Mainzelmännchen“. Tatsächlich hat das mit Magie wenig zu tun, sondern mit profaner Psychologie. Die eher ruhigen Mainzel-Filmchen geben den mit Reizen und Informationen vollgepackten Werbespots einen Rahmen, dadurch beeinträchtigen sich die Spots nicht mehr gegenseitig. Der Zuschauer hat ein paar Sekunden zum Verarbeiten des Gesehenen, was die Gedächtnisleistung verbessert. Die aufgehellte Stimmung tut ihr Übriges dazu. Also sollten Media- und Konsumentenforscher die drolligen Gesellen durchaus ernst nehmen.

Fernsehwerbung wieder aufwerten

Doch anscheinend tut das niemand jenseits des Mainzer Lerchenbergs. Warum haben die privaten TV-Sender bisher nichts von dieser Task-Force zur Rettung des Werbeblocks gelernt? Es kann nicht daran liegen, dass die Werbeblöcke der Privaten so ausgebucht wären, als das nichts mehr reinpassen würde. Das Gegenteil ist der Fall: Damit die nicht ausgebuchten Blöcke überhaupt voll werden und der Programmablauf nicht durcheinander kommt, wird jede Art von Eigenwerbung gezeigt: Für den eigenen Sender, andere Sender der Gruppe, Digital-Angebote, Websites, Club-Karten, Events, Teletext. Und jede Menge Gewinnspiele, bei denen in erster Linie der Sender gewinnt, weil der an den Anrufen gut verdient. Doch bei diesen Einnahmen wird vergessen, dass sie nur Peanuts sind im Vergleich zu denen aus Werbeschaltungen. Deshalb sollte alles, was die Blockreichweiten und die Werbewirkung verbessert, eigentlich Priorität haben. Hier wäre wirklich die Kreativität der Fernsehmacher gefragt: Wie kann man die Mainzelmännchen noch übertrumpfen? Was wäre noch zeitgemäßer als Cartoon-Figuren? Welche Art von Mini-Content passt zu welchem Sender? Ideen gäbe es genug: Wie wäre es im Facebook-Zeitalter mit Urlaubsfotos von Zuschauern? Oder den besten Sprüchen von Bart und Homer Simpson? Oder den ohnehin allgegenwärtigen Pleiten-Pech-und-Pannen-Videoclips? Oder einfach nur das Kaminfeuer, wie man es von den Bildschirmen in Hotels kennt? Zugegeben, um an die Mainzelmännchen heranzukommen, muss man sich schon etwas anstrengen. Aber sollte sich das nicht lohnen, wenn es darum geht, Werbung wieder aufzuwerten?

Hier können Sie die Kolumne lesen.

Der äußere Anlass für die Kolumne ist die Veröffentlichung einer hoch interessanten Studie des ZDF-Werbefernsehens in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsinstitut Mindline Media.

Die Studie zeigt, wie die Mainzelmännchen die Akzeptanz und Wirkung der Werbung im Werbeblock verstärken. Die Broschüre zur Studie gibt es hier zum Download.