Immer weniger Mediaservice

In Media Spectrum ist meine neue Kolumne „Engels Zunge“ erschienen, diesmal zum Thema Mediaservice. Hier können Sie sie auch lesen. 

Daten werden Mangelware

Neue Forschungsinitiativen werden mit viel PR gestartet und lenken davon ab, dass Medienvermarkter ihren Service für Planer schleichend reduzieren.

Lange herrschten paradiesische Zustände für Mediaplaner und Werbeagenturen. Es gab eine Vielzahl von Datenquellen über Konsum und Mediennutzung. Jeder Verlag, Sender und Vermarkter lieferte ständig Nachschub, um den Datenhunger zu stillen. Branchenberichte, Wirkungs-Studien, Lexika und vieles mehr wurden Agenturen und Werbekunden kostenfrei an die Hand gegeben. Die Verlage überboten sich mit Markt-Media-Studien: VA, TdW, CN, Soll + Haben, Dialoge, MarkenProfile, Prozente, Familien Analyse – um nur einige zu nennen. Alles repräsentative Studien mit sorgfältiger Methodik. Ein enormes Investment, um die Planung zu professionalisieren und den Agenturen die Arbeit zu erleichtern. Nebenbei pflegte man den Kundenkontakt jenseits von Rabatt-Verhandlungen. Ausländische Kollegen staunten über die Datenfülle, denn anderswo gibt es meist nur eine Studie, die zudem kostenpflichtig ist.

Diese paradiesische Zeit ist vorbei – noch nicht ganz, doch ihr Verschwinden beschleunigt sich zusehends. Verlage, Sender und Vermarkter reduzieren kontinuierlich ihr Angebot an Planungshilfen. Die Anzeichen liest man in der Presse: Nachrichten wie die Abwicklung des Burda-Instituts IMUK oder die Überführung von VA und TdW in eine neue Studie. Oft geschehen die Service-Einbußen aber still und heimlich: Da stellt ein Verlag seine beliebten Branchenreports ein oder ein Sender beendet seine Tracking-Studie. Und viele der oben genannten Studien sind vor Jahren das allerletzte Mal erschienen.

Doch nach außen melden die Medien das Gegenteil: Forschung werde wichtiger, Wirkungsnachweise seien das Gebot der Stunde. Neue Tools werden mit viel PR gepuscht. Wie passt das zusammen? Viele der Initiativen sind Gemeinschaftsaktionen – etwa der AIM des VDZ oder die neue „Best4Planning“-Studie der Verlage. Kooperation und Standardisierung sind schön und gut, doch vermutlich soll in erster Linie gespart werden. Viele einzelne Projekte werden im Schatten der Gattungsstudien einen schleichenden Tod sterben.

Statt Studien lieber essen gehen?

Wie konnte das passieren? Bei den Medien hat sich dank Krise und Wettbewerb die Vermarktungskultur geändert. „Wie viel mehr Werbung verkaufe ich mit einer Studie?“ Das war die Frage, die sich Forscher immer häufiger von ihren Chefs anhören mussten. Professionelle Planungsqualität und eine enge Verankerung im Agenturalltag wurden weniger wichtig. Stattdessen: Hard-Selling, Rabatte, mit Kunden fein essen gehen. Und die Agenturen? Sie haben die Forschung nicht immer wertgeschätzt. Die Daten aus VA, TdW & Co. waren so selbstverständlich wie warmes Wasser aus der Leitung, kein Grund, sich dafür zu bedanken. Wahrscheinlich werden die Planer dies erst zu würdigen wissen, wenn sie – wie in anderen Ländern – Daten für viel Geld von Instituten kaufen müssen oder bei all den existierenden „Pseudo-Studien“ die Goldstücke aus dem Schlamm der Eigen- und Gattungs-PR mühselig herauswaschen müssen. Gute Daten sind Brot und Butter einer vernünftigen Werbeplanung – und sie scheinen zunehmend knapp zu werden.