Fernsehkritik auf Stammtisch-Niveau

Buchkritik:

„Die WM-Show“ von Dieter Anschlag – 

Zwölf Autoren des Fachblattes „Funkkorrespondenz“ beschreiben aus subjektiver Perspektive ihre Wahrnehmung des FIFA World Cup. Die Fußballweltmeisterschaft ist nun schon viele Monate vorbei, doch noch immer wirkt sie nach. Oft wird ihr Geist beschworen, das Schlagwort vom „Sommermärchen“ macht weiterhin die Runde, und der gleichnamige Dokumentarfilm verkauft sich auch als DVD gut. Ebenfalls als eine Art WM-Merchandising kann man ein Buch verstehen, dessen Titel von einer „WM-Show“ spricht. Es versammelt die Berichte, die zwölf Autoren der medienkritischen Publikation „Funkkorrespondenz“ während des FIFA World Cup verfasst haben. Dabei beschrieben sie ihre Erlebnisse rund um die WM aus einer konsequent subjektiven Perspektive, immer nah an den aktuellen Ereignissen, die sie – wie auch Millionen andere Deutsche – nur am Fernsehschirm verfolgten.


Wenn so viele gestandene Fernseh- und Medienkritiker sich einem Thema widmen, kann man eine kritische Analyse erwarten und hofft auf eine möglichst fundierte und umfassende Entzauberung des Medien-Events Weltmeisterschaft. Was die Autoren jedoch so zusammengeschrieben haben, ist weit davon entfernt, das Ereignis wirklich unvoreingenommen zu reflektieren. Statt dessen wird einfach – mal mehr, mal weniger amüsant – widergespiegelt, wie die WM im Fernsehen und Medien präsentiert wurde.

Das mag für eine aktuelle Publikation wie die „Funkkorrespondenz“ in Ordnung sein, zumal auch dieses Blatt natürlich versucht hat, auf den Zug der WM aufzuspringen. Doch diese tagesaktuellen Texte zwischen Fan-Geplauder und Fernsehkritik, chronologisch Tag für Tag zwischen zwei Buchdeckeln ausgebreitet, bieten nicht wirklich Lesespaß und bringen nur selten neue Erkenntnisse. Statt wirklicher Analysen gibt es eher Nörgeleien über die Protagonisten der WM-Show: Beckmann, Kerner, Waldi, Kaiser Franz – die üblichen Verdächtigen eben.

Wer das alles am eigenen Stammtisch selbst schon durchexerziert hat, muss nicht noch nachlesen, dass auch professionelle Kritiker sich über das Fernsehen ärgern können. Eigentlich wären diese Texte als Blog im Internet gut aufgehoben gewesen – aktuell, subjektiv und voll mit persönlichen Erlebnissen und Meinungen. Doch als Buch wirkt diese Art von Prosa deplatziert und erinnert uns allenfalls daran, dass eine wirklich kritische Auseinandersetzung mit der angeblich „besten Fußball-WM aller Zeiten“ (so der Untertitel der „WM-Show“) noch auf sich warten lässt.

Dieter Anschlag (Hrsg.): „Die WM-Show – Wie wir die beste Fußball-WM aller Zeiten am Bildschirm erlebten“, UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz 2006, 224 Seiten, 14,90 EUR, ISBN 3-89669-683-1