Klarsicht statt Bullshit

Buchkritik:

„KlarsichtHüllen“ und „Bullshit“ – 

In Amerika und Deutschland steht gerade ein Sachbuch auf den Bestseller-Listen, dessen Titel eher zu einem Roman von Rainald Goetz als zu einem philosophischen Traktat passt: „Bullshit“. Damit ist im Amerikanischen jene Art von aufgeblasenem, wichtigtuerischen Sprachmüll gemeint, der pathetisch und großspurig daherkommt, in dem aber statt Substanz nur heiße Luft steckt. Ein Philosoph hat dazu eine kleine, nicht besonders originelle Rede gehalten, die man in einem sehr schmalen Bändchen auch veröffentlicht hat. Den Erfolg dieses dünnen Bretts in den USA kann man mit der dortigen Faszination für Kraftausdrücke erklären, wenn auch nicht verstehen. Ein seltsames Land, in dem jedes „four letter word“ im Fernsehen durch Pieptöne übertönt wird, dessen Alltagssprache aber geradezu durchdrungen ist von denselben bösen Wörtern.

Warum es dieses Buch überhaupt zu einer deutschen Übersetzung und Veröffentlichung geschafft hat, bleibt ein Rätsel. Am Inhalt kann es nicht liegen – der Autor breitet ein paar dünne Gedanken zu den Begriffen Bullshit und Humbug aus. Beispiele für solchen bringt er nicht, die wenigen interessanten Gedanken werden nicht wirklich ausgeführt. Das gilt etwa für die durchaus interessante Hypothese, dass es in einem demokratischen System automatisch zum Anwachsen von Bullshit kommt, da jeder unter Zwang steht, zu jedem Gegenstand eine Meinung zu haben, auch wenn er davon keine Ahnung hat. Doch viel mehr als dieser Satz steht im Buch dazu nicht drin. Das Lesen erübrigt sich also, Zeit und Geld sollten für wichtigere Lektüre gespart werden.

Denn was „Bullshit“ verspricht , aber nicht hält, können andere Bücher liefern. Etwa „KlarsichtHüllen“, eine Kooperation von einem Schriftsteller und einem PR-Mann, in dem über die Sprache im Wirtschaftsleben reflektiert wird. Beide Autoren wechseln sich mit kurzen Essays ab und beleuchten dabei Themen wie etwa Markensprache, Management-Literatur, PowerPoint-Präsentationen, Klatsch und Tratsch. Ihre Gedanken sind immer scharfsichtig, erhellend und zudem unterhaltsam geschrieben. Es lohnt sich, einmal darüber nachzudenken, wie wir innerhalb des Geschäftslebens so miteinander kommunizieren. Nur dadurch haben wir die Chance, die Substanz vom Bullshit zu trennen. Der Band „KlarsichtHüllen“ kann uns dabei helfen.

Harry G. Frankfurt: „Bullshit“, Suhrkamp, Frankfurt am Main 2006, 74 Seiten, 8,00 EUR, ISBN 3-518-58450-2

Burkhard Spinnen / Eberhard Posner: „KlarsichtHüllen – Ein Dialog über Sprache in der modernen Wirtschaft“, Carl Hanser Verlag, München / Wien 2005, 200 Seiten, 19,90 EUR, ISBN 3-446-403167-7