Werbeforschung einmal anders

Buchkritik:

„Werbeforschung“ von Guido Zurstiege

Um es gleich vorweg zu nehmen: Auch wenn der Titel anderes erwarten lässt, ist „Werbeforschung“ kein Lehrbuch über angewandte Werbe- oder Mediaforschung. Hier geht es vielmehr darum, wie die Kommunikationswissenschaft Werbung als Gegenstand untersucht, nicht wie die Werbebranche selbst forscht. Dass die akademische Kommunikationswissenschaft das Thema Werbung stiefmütterlich behandelt, wurde schon vor einiger Zeit an dieser Stelle im Zusammenhang mit einer anderen Neuerscheinung diskutiert, dem Buch „Werbung in der Medien- und Informationsgesellschaft“ von Gabriele Siegert und Dieter Brecheis. Nun gibt es ein weiteres Buch eines Kommunikationswissenschaftlers, der sich ein ähnliches Ziel gesetzt hat, nämlich zusammenzutragen, was seine Disziplin zum Thema Werbung eigentlich zu sagen hat.


Sieht man einmal vom florierenden Bereich der Werbewirkungsforschung ab, gibt es klare Forschungsdefizite. Etwa die Zusammenarbeit von Werbeagentur und Kunde ist ein wenig erforschtes Gebiet. Während man zum Beispiel den Berufstand der Journalisten seit Jahrzehnten genauer unter die Lupe nimmt, weiß man über die Menschen, die in der Werbung arbeiten, sehr wenig. Was Guido Zurstiege dennoch zu dem Thema zusammenträgt, liest sich interessant und hilft auch Praktikern, über ihre Berufsrolle einmal nachzudenken. Auch die meisten anderen Kapitel des Buches sind flüssig geschrieben und liefern viele interessante Erkenntnisse, etwa das Eröffnungskapitel über die Geschichte der Werbung oder Überlegungen zu der Frage, ob die Werbung die Gesellschaft widerspiegelt.

Eher konventionell, aber trotzdem interessant sind die Abschnitte über Wirkungen – allerdings kratzen sie nur an der Oberfläche und ersetzen kein Lehrbuch zur Werbewirkungsforschung. Besonders spannend wird es indes, wenn Zurstiege Konzepte aus anderen kommunikationswissenschaftlichen Themenfeldern auf die Werbung überträgt. So schaut er sich zum Beispiel die „Nachrichtenwert-Theorie“ an, die beschreibt, welche Merkmale Ereignisse haben müssen, damit sie die Aufmerksamkeit von Journalisten gewinnen und zur Nachricht gemacht werden. Analog dazu stellt der Autor nun „Werbefaktoren“ vor – also Merkmale einer Botschaft, welche die Aufmerksamkeit der Rezipienten erregen.

Anders als das Buch von Siegert und Brecheisen ist „Werbeforschung“ weniger wissenschaftlich und systematisch aufgebaut, sondern in einem eher essayistischen Stil geschrieben, der sehr pointiert und lesbar ist. Allerdings erscheinen nicht alle Teile des Buches für einen Werbepraktiker gleich interessant. So sind die Überlegungen zur systemtheoretischen bzw. konstruktivistischen Verortung der Werbung zwar philosophisch durchaus tiefschürfend und anspruchsvoll, doch wird nicht klar, welche Konsequenzen dieser theoretische Hintergrund für die Erforschung der Werbung hat. Und einige Abschnitte, etwa die Vorstellung der Werbemedien, kratzen wiederum zu sehr an der Oberfläche. Trotzdem handelt es sich auch unter praktischen Gesichtspunkten bei „Werbeforschung“ um eine lohnende Lektüre.

Guido Zurstiege: „Werbeforschung“, UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz 2007, 232 Seiten, 19,90 EUR, ISBN 978-3-8252-2909-2