Zuviel Sprechzimmer, zu wenig digitale Welt

Buchkritik:

„Handbuch der Markt- und Werbepsychologie“ von Peter Neumann –  

Warum heißt ein Handbuch eigentlich Handbuch? Weil man es oft zur Hand nehmen soll, wenn man ein konkretes Problem hat und mal schnell nachschlagen will, was andere dazu schon herausgefunden haben. Dazu muss es aber sehr umfassend sein, was wiederum die eigentliche Handlichkeit behindert: Handbücher sind dick und schwer, deshalb findet man sie die meiste Zeit im Regal und nicht in den Händen der Besitzer.

Das ist das Dilemma: Sie sind für die Praxis oft zu unpraktisch. Doch eine größere Konzentration und Verdichtung würde dem Anspruch des Allumfassenden eines Handbuchs im Wege stehen. Enttäuschte Erwartungen sind deshalb vorprogrammiert. Damit muss auch Peter Neumann, Professor in München, kämpfen: Er hat ein „Handbuch der Markt- und Werbepsychologie“ geschrieben.

Der Autor kommt aus der Schule von Lutz von Rosenstiel, dessen deutlich schlankeres Buch „Psychologie der Werbung“ seit Jahrzehnten in den Regalen von Marketing-Leuten steht. Neumanns Buch erfüllt dabei den Anspruch des Umfassenden: Er hat den einschlägigen Lehrstoff gesammelt und präzise zusammengefasst. Viele der wichtigen Themen und Modelle werden behandelt: Lernen, Gedächtnis, Emotionen, Gestaltungsprinzipien, Einstellungen.

Dadurch verstehen wir den Konsumenten besser. Hinzukommen Erkenntnisse über Entscheidungsverhalten, Problemlösen und Kreativität – damit lernen wir Entscheider, wie wir unsere Arbeit besser machen können. Das Grundlagenwissen wird gut und kompakt zusammengefasst, aber aus einer eindeutigen akademisch-psychologischen Sicht. So spricht Neumann eben bewusst nicht von Marketingentscheidungen, sondern von „marktpsychologischen Interventionen“ – das hört sich schon ein bisschen nach Sprechzimmer an.

Dabei ist das Bemühen, eine Praxisrelevanz herzustellen, dem Buch zwar immer anzumerken, doch handelt es sich nach wie vor eher um ein Lehrbuch für Studierende. So ist etwa das Kapitel mit Fallbeispielen enttäuschend kurz geraten. Trotzdem gehört dieses Handbuch in die Regale und Hände von Praktikern. Gerade für sie ist es wichtig, die Grundlagen ihrer Arbeit zu kennen – deshalb wäre es wünschenswert, wenn dieses psychologische Handbuchwissen von Entscheidern verinnerlicht würde.

Das Buch ist übrigens auch recht gut illustriert, mit vielen farbigen Abbildungen, Schaubilder und Anzeigenbeispiele. Auch wenn viele der Werbebeispiele schon etwas älteren Ursprungs sind und wie so oft mehr Print- und Plakatmotive gezeigt werden als Werbemittel aus anderen Medien (die zugegeben schlechter in einem Buch abbildbar sind), so ist das doch ein Pluspunkt für das Buch – andere Lehrbücher glänzen eher durch Bleiwüsten und schlecht-reproduzierte Schwarzweiß-Bildchen. Was ein bisschen schade ist: Aktuelle Forschung kommt ein bisschen zu kurz, da sich der Autor sehr auf die etablierten Grundlagen konzentriert.

Begriffe wie „Neuromarketing“ und „Virales Marketing“ werden zwar erwähnt, wirken aber eher wie Fremdkörper im Kanon des klassischen Lehrstoffs. Auch die Besonderheiten der digitalen Welt, in der Menschen im Internet Informationen sammeln und gleichzeitig Käufe tätigen, kommt etwas zu kurz. Aber neue Entwicklungen verstehen wir besser, wenn wir mehr über die Ursprünge und Grundlagen wissen, deshalb ist das „Handbuch der Markt- und Werbepsychologie“ auch für Praktiker von heute wertvoll.

Peter Neumann: Handbuch der Markt- und Werbepsychologie; Verlag Hans Huber, Bern 2013, 388 Seiten, 74,95 €, ISBN 978-3-456-84132-8