Große Daten, kleine Insights

Buchkritik:

„Data Unser“ von Björn Bloching u.a. –  

Wie lautet das zurzeit heißeste Buzzword in Marketing und Marktforschung? Richtig: Big Data. Wieder ein Wort, was sich nur im Englischen richtig cool anhört und bei einer deutschen Übersetzung geradezu banal klingt: Große Daten – eigentlich geht es natürlich um große Mengen von Daten. Solche Daten haben große Supermarktketten, Banken, Versicherungen und Versandhändler. Aber der wahre Motor für „Big Data“ ist das Internet. Es produziert ständig riesige Datenströme – Google, Facebook, Amazon, Microsoft und Apple sind einige der Könige dieses Datenreichs. Denn ihr Kundenkontakt erfolgt fast vollständig im Internet und mit jeder Transaktion, jedem Kauf, jeder Anfrage oder Informationsrecherche wächst das Wissen über die Kunden. Halt, Verzeihung, das Wissen wächst nicht so schnell, lediglich die Menge an Daten wird immer größer. Damit diese nicht zu einem Datengrab wird, müssen intelligente Analyseverfahren genutzt werden. Das ist mit dem Schlagwort „Big Data“ gemeint: Das Analysieren großer Datenmengen, die hauptsächlich auf tatsächlichen Kundentransaktionen basieren.

In dem Buch „Data Unser“ haben einige Unternehmensberater ein Bild davon gemalt, wie Marketing und andere Geschäftsprozesse verbessert werden können, wenn das Potenzial solcher Datenanalysen richtig ausgebeutet wird. Natürlich brechen goldene Zeiten an: Prozesse werden optimiert, Cross-Selling spült zusätzliche Gelder in die Kasse, individualisierte Angebote erhöhen die Kundenzufriedenheit, Targeting ermöglicht Werbung ohne Streuverlust.

Eine der Säulen dieser neuen datengetriebenen Geschäftswelt ist die Idee des Testens: Von neuen Ideen bis zu kleinen Variationen wird alles am lebenden Patienten überprüft, sogenanntes A/B-Testing, eine Vorgehensweise, die sich dem klassischen wissenschaftlichen Experiment annähert. Die Kunden werden zufällig in zwei Gruppen geteilt, die eine Gruppe darf die Veränderung ausprobieren, die andere dient als Kontrollgruppe. Bestes Beispiel hierfür: Amazon verfeinert ständig die Benutzerfreundlichkeit und die Cross-Selling-Angebote auf ihrer Website, ohne das es jemals einen großen Re-Launch gab, denn jede Optimierung wird durch das A/B-Testing geprüft und bei Erfolg eingesetzt. Eine andere Säule ist das Data Mining: Mit möglichst automatisierten Algorithmen wird nach verdeckten Zusammenhängen in den Datenströmen gesucht: Wenn man dann merkt, das am späten Abend überzufällig Bier und Pampers im Einkaufswagen landet, dann ist das eine wertvolle Erkenntnis: Der Supermarkt kann beide Produkte abends direkt nebeneinander platzieren, damit der gestresste junge Vater, den man zum Windelkauf los geschickt hat, sein Belohnungs-Bier nicht lange suchen muss.

Hier zeigt sich aber ein Nachteil des „Big Data“-Ansatzes – erst durch eine schlüssige Erklärung (wie die trivial anmutende des Belohnungs-Biers für den Windelkäufer) werden aus wahllosen Daten-Korrelationen wirkliche Insights. Die Autoren von „Data Unser“ scheinen etwas zu verliebt in die neue Datenwelt und propagieren sie mit starken Berater-Phrasen, vernachlässigen aber ein bisschen das Thema, wie man aus Daten und Algorithmen sinnvolle Erkenntnisse gewinnt. Dabei sind sie prinzipiell nicht unkritisch – heikle Themen wie Datensicherheit, Transparenz für die Kunden und die Langwierigkeit (inklusive hoher Wahrscheinlichkeit des Scheiterns) von IT-Projekten werden angesprochen. Wie der Umgang mit „Big Data“ aber wirklich funktioniert, welche statistischen Verfahren zum Einsatz kommen und wie sich so etwas für ein normales Unternehmen jenseits von Google und Amazon umsetzen lässt, bleibt dabei eher vage. Trotzdem ist das Buch „Data Unser“ ein guter Einstieg, der für die Geschäftschancen der neuen Datenwelt sensibilisiert.

Björn Bloching / Lars Luck / Thomas Ramge: Data Unser – Wie Kundendaten die Wirtschaft revolutionieren; Redline Verlag, München 2012, 222 Seiten, 24,99 €, ISBN 978-3—86881-319-7