Karina, die wahre Shopping-Queen

Buchkritik:

„Markenerleben“ von Ralph Ohnemus –

Der Konsument muss im Mittelpunkt stehen – so kann man es in fast jeden Marketing-Buch lesen. Doch meistens steht der Verbraucher noch nicht einmal im Mittelpunkt der betreffenden Bücher – deren Held ist meist die Marke oder – noch schlimmer –  die Marketing-Abteilung. Der Konsumentenforscher Ralph Ohnemus hat ein schlankes Büchlein geschrieben, bei dem er den Konsumenten tatsächlich in den Fokus gestellt hat. Um genauer zu sein – die Konsumentin.

Sie heißt Karina und der Autor erzählt gleich zu Beginn, wie sie ihren Alltag verbringt, was sie einkauft und wie sie darüber nachdenkt. Dabei präsentiert sich Karina nicht als konsumgeile Shopping-Queen, sondern als eine effiziente Verbraucherin, die mit ihrer knappen Aufmerksamkeit sparsam haushaltet. An ihrem Beispiel erläutert Ohnemus die aktuelle Marketing-Realität, die seiner Beobachtung nach durch zwei Begriffe beschrieben werden kann: Hyperwettbewerb und Informations-Tsunami.

Die Konkurrenz findet nicht nur innerhalb einer Produktkategorie statt, sondern auch zwischen den unterschiedlichsten Produkten, zwischen Marken und No-Name-Ware, zwischen Online-Shops und stationären Handel. Karina ist das Paradebeispiel dafür: Bei einigen Dingen ist sie marken- und qualitätsbewusst, bei anderen überhaupt nicht, oft basieren ihre Kaufakte auf Gewohnheit. Doch der Wettbewerb tobt nicht nur um Karinas Geld, sondern auch um das, was in ihrem Kopf passiert – das nennt der Autor den Informations-Tsunami. In seinem Buch analysiert er Karinas Verhalten und bringt dabei eine Menge von Erkenntnissen aus der Konsumenten-Psychologie ein – wobei er schafft, die Essenz der zitierten Werke und Studien prägnant darzustellen.

Im Grunde hat er somit ein Lehrbuch geschrieben – kein systematisches mit ausdifferenzierter Gliederung, sondern eher eine kleine Geschichte, in denen sich die Forschungsergebnisse organisch in den Erzählfluss einpassen. Die Story dreht sich um das Verstehen des Markenerlebens – wie nehmen Karina und die anderen Konsumenten Marken heute wahr, auf was achten sie oder was ignorieren sie? Vieles davon findet beiläufig und unbewusst statt, auch darüber berichtet der Autor, aber eher zurückhaltend– ganz im Gegensatz zu den vielen Gurus des Unbewussten. Auch wenn Ohnemus tendenziell den angeblichen Tod des Homo Oeconomicus überbetont, liefert er doch ein differenzierteres Bild.

Als Instrumente für ein modernes Kommunikations-Management empfiehlt er hauptsächlich das Storytelling, wobei die Marke als Archetypus (im Sinne C.G. Jungs) inszeniert werden sollte, und ein besseres Verständnis der Customer Journey, also des Kaufentscheidungs-Prozesses. Hier kratzt er aber nur an der Oberfläche. Das macht nichts, denn sein Buch ist kein Ratgeber oder Nachschlagewerk, sondern ein gut lesbarer und fundierter Impuls, um Karina und ihre vielen Mit-Konsumentinnen und -Konsumenten besser zu verstehen.

Ralph Ohnemus: Markenerleben – Die Strategie im Hyperwettbewerb und Informationstsunami; edition carthago, Plassen Verlag, Altenkirchen 2016, 128 Seiten, 19,90 €, ISBN 978-3-9815661-1-6