Mit Checklisten gegen das Chaos

Buchkritik:

„Chaotics“ von Philip Kotler & John Caslione –  

Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat ein eigenes Sachbuch-Genre geschaffen – die thematisch bestückten Tische in den Buchhandlungen biegen sich regelrecht unter den Bergen von Büchern mit den Worten „Crash“ oder „Krise“ auf dem Umschlag. Sie reichen von Insider-Berichten gieriger Banker, über Traktate zur Kapitalismus-Kritik bis hin zu Ratgebern, wie sich ein Unternehmen in schwierigen Zeiten verhalten soll. In die letztere Rubrik lässt sich auch das Buch „Chaotics“ einordnen. Geschrieben wurde es von dem Business-Guru Philip Kotler, dessen Lehrbücher zum Marketing weltweit Standardwerke sind. Unterstützung holte er sich von dem Strategie-Experten John Caslione, zusammen legten sie ein sehr aktuelles Management-Buch vor, das bisher nur in englischer Sprache erhältlich ist – allerdings ist die deutsche Übersetzung bereits angekündigt und erscheint in den nächsten Wochen.


Sachbuchautoren sind sicherlich einige der wenigen Gewinner der Krise, schließlich suchen Publikum und Wirtschaftsleute nach Rat und greifen zu Büchern, die ihnen versprechen, die harten Zeiten zu verstehen und durchzustehen. „Chaotics“ merkt man ein bisschen an, dass es mit der heißen Nadel gestrickt wurde, um schnell dieser Nachfrage zu entsprechen. Das erste Drittel des Buches enthält eine eher journalistische Beschreibung der aktuellen Krise – die hier aufgeführten Informationen könnte man eigentlich auch der Tagespresse entnehmen.

Doch die Autoren sehen diese jüngsten Ereignisse als symptomatisch für das Wirtschaftsleben heutzutage an: Es gibt keine berechenbaren Konjunkturzyklen mehr, das globale Wirtschaftssystem ist für Krisen und extreme Wendepunkte einfach anfälliger. Die Folge ist ein chaotischer Verlauf der Wirtschaft. Kotler und Caslione identifizieren dabei einige Ursachen für dieses Chaos: Technischer Fortschritt, Hyper-Wettbewerb, neue aufstrebende Länder wie China und Indien, Umweltfragen, das Internet und die wachsende Macht der Konsumenten.

In diesem Umfeld funktioniert die klassische, langfristige Unternehmensplanung nicht mehr, die auf Stabilität und Zyklen ausgerichtet ist. Deshalb müssen Manager lernen, mit Turbulenzen und Chaos zu Recht zu kommen. Das schaffen sie, wenn sie ein Frühwarnsystem aufbauen, dass ihnen rechtzeitig Hinweise auf Veränderungen liefert. Außerdem müssen sie angemessene Pläne für die unterschiedlichsten (auch extremen) Szenarien in der Schublade haben.

Schließlich listen die Verfasser auf, was eine Firma in einer Krise tun und lassen soll. Natürlich müssen Budget gekürzt werden – aber welche? Nach Kotlers Ansicht darf gerade nicht wahllos an Werbung, Marketing und Marktforschung gespart werden. Ein genereller Budget-Cut von X% ist nach seiner Ansicht genau der falsche Weg, um mit der Krise umzugehen. Für jeden Managementbereich zählen die Autoren in Form einer Checkliste auf, wo man einsparen kann, welche Leistungen sich outsourcen lassen und welche Maßnahmen verstärkt oder gefördert werden müssen.

In diesem systematischen Vorgehen ist dieser Teil des Buches recht übersichtlich und instruktiv, wenn auch die erläuterten Maßnahmen nicht sehr originell und in anderen Management-Büchern auffindbar sind. Doch ist das Buch empfehlenswert, weil es einige wichtige Wahrheiten über unser Wirtschaftssystem anschaulich darstellt und Hinweise gibt, wie man sich darauf einstellt. Einen großer Wurf oder eine revolutionäre Lösung liefert es nicht.

Philip Kotler / John A. Caslione: Chaotics – The business of managing and marketing in the age of turbulence; Mcgraw-Hill Professional, New York 2009, 206 Seiten, ca. 22,00 €, ISBN 978-0-8144-1521-4

Deutsche Übersetzung:
Philip Kotler / John A. Caslione: Chaotics – Management und Marketing für turbulente Zeiten; mi-Wirtschaftsbuch, München 2009, 260 Seiten, 39,90 €, ISBN 978-3-868800241

UPDATE 2021:

Selbst Kotler und sein Co-Autor konnten sich vor mehr als zehn Jahren, als sie das Buch schrieben, wohl kaum die Situation in den Corona-Jahren 2020 und 2021 vorstellen. Vor dem derzeitigen Hintergrund ist das Buch nochmal interessanter und es lohnt sich eine erneute und kritische Lektüre. Denn in einer Hinsicht haben Kotler & Co. auf jeden Fall recht: Die Krisen werden in der Zukunft nicht mehr Ausnahmen sein, sondern mehr oder minder ständige Begleiter.