New Business ist wie Dating

Buchkritik:

„Matching“ von Heiko Burrack –  

Verwunderte Blicke erntete ich, als ich das Buch in der U-Bahn las – für einige der Mitfahrer sah es so aus, als hielte ich es falsch herum. Das ist eine kleine Besonderheit – es handelt sich um ein „Wendebuch“ mit zwei Covern, wobei eines auf dem Kopf steht – oder besser gesagt: Es sind zwei Bücher in einem. Ungefähr in der Mitte endet das eine Buch und man muss den Band auf den Kopf drehen, um mit dem zweiten Buch zu beginnen.

Was wie eine Spielerei aussieht, hat tatsächlich mit dem Konzept des Werkes zu tun. „Matching“ berichtet darüber, wie Werbe- und Kommunikations-Agenturen ihr Neugeschäft angehen – von der Akquise bis Kundenbindung. Doch wird das Thema aus zwei Perspektiven angegangen: Die eine ist die der Marketing-Entscheider in Unternehmen – also der Agenturkunden. Die andere die der Agenturen selbst. Um diesen Wechsel des Blickwinkels konsequent deutlich zu machen, haben sich der Verlag und der Autor zu dem Trick mit dem Wendebuch gegriffen.

Und der hohe Wert des Buches liegt gerade in dieser zweifachen Herangehensweise.
Heiko Burrack, erfahrener New-Business-Berater für Agenturen, führte mit rund 80 Experten Interviews – Unternehmens-Entscheider, Agentur-Leute, Berater und Redakteure von Fachmedien. Sie erzählten von ihren Erfahrungen mit Akquise, Pitches und Agenturwahl. Was sind die häufigsten Fehler, wenn eine Agentur mit einem potenziellen Kunden in Kontakt treten will? Wie schafft man es, nicht nur einen Termin, sondern auch die Aufmerksamkeit des Entscheiders zu bekommen? Worauf sollten Agenturleute bei der Präsentation achten? Welche Art von Informationen müssen sie kommunizieren, wenn sie sich in der Fachpresse positionieren wollen?

Das charmante an dem Buch: Es listet nicht die herkömmlichen Weisheiten auf, die man in jedem branchen-unspezifischen Ratgeber für Verkauf und Vertrieb finden kann, sondern argumentiert immer mit Original-Zitaten. Die Interviewpartner werden mit Namen und Bild vorgestellt, ihre Aussagen sind oft sehr konkret und praxisnah. Das führt manchmal auch zu Widersprüchen – anstatt ein richtiges Rezept zu präsentieren, werden dann unterschiedliche Meinungen vorgetragen, ganz wie im richtigen Leben.

Doch bei vielen Punkten ist das Bild einheitlich: Unabhängig wie brillant die Arbeit für ihre Kunden sein mag, in der eigenen Vermarktung sind viele Agenturen schwach, große wie kleine. Im Kontakt zu ihren Ansprechpartnern sind sie oft zu ich-bezogen, zu schlecht vorbereitet, nicht hartnäckig genug und oft einfach nicht auf den Punkt. Statt langer Credentials lieber sechs prägnante Charts, statt Selbstbeweihräucherung lieber Kundenprobleme ansprechen, statt Reden lieber Zuhören. New Business ist eben – so ein amerikanischer Pitch-Berater – wie Dating.

Das Spektrum der behandelten Aspekte ist breit: Auch Fragen wie z.B. der Umgang mit dem zentralen Einkaufsabteilungen beim Kunden oder der Einsatz von Pitch-Beratern werden erörtert, aber auch ganz konkrete Fragen wie z.B. ob man PowerPoint einsetzen soll oder besser nicht oder wer beim potenziellen Neukunden anrufen soll. Natürlich werden auch die Pflichten der Kunden deutlich, allen voran ein ordentliches Briefing. Ein instruktives Buch nicht nur für Agenturen und Marketing-Entscheider – jeder, der in der Werbe- und Mediabranche etwas vermarkten oder verkaufen will, sollte es lesen.

Heiko Burrack: Matching – Marketing-Entscheider im Dialog/ Agentur-Chefs im Dialog; New Business Verlag, Hamburg 2014, 210 Seiten, 29,80 €, ISBN 978-3-936182-51-4