Von Habermas zu Twitter – und zurück

Buchkritik:

„Emergenz digitaler Öffentlichkeiten“ von Stefan Münker –  

Die Buchreihe „edition unseld“ soll sich mit den Nahtstellen zwischen Natur- und Geisteswissenschaft beschäftigen und veröffentlichte bereits einige höchstinteressante Bände. In diesen werden z.B. das Konzept Komplexität erklärt, über die Sprache der Hirnforschung reflektiert oder die Bedeutung der Spiegelneuronen erläutert, neben Wissenschaftlern kommen auch Schriftsteller wie Hans Magnus Enzensberger kommen zu Wort. Ein neuer Band widmet sich nun dem Phänomen Social Media: „Emergenz digitaler Öffentlichkeit.

Die Sozialen Medien im Web 2.0“. Geschrieben hat es der Medienwissenschaftler und ZDF-Redakteur Stefan Münker. Es hat ganz klar eine vermittelnde Funktion: Der normale Suhrkamp-Leser hat zwar keine Probleme, sich in den luftigen Höhen der Philosophie und Geisteswissenschaft zu bewegen, aber die zum Teil doch sehr triviale Realität des Internets befremdet ihn mitunter. Münkers Essay erläutert, was es mit Social Media auf sich hat. Dabei wird behutsam und eher beiläufig auch nochmal erklärt, was zum Beispiel Twitter oder Facebook ist – sicherlich wird es den einen oder anderen Leser geben, der dafür immer noch dankbar ist.

Das Hauptziel ist jedoch, die philosophische Einordnung der Sozialen Medien (bei denen der Autor bewusst das sozial großschreibt, um darauf hinzuweisen, dass eigentlich ja alles Medien sozial sind). Verwirklicht nicht das Web 2.0 das Konzept eines herrschaftsfreien Diskurses? Demokratisiert das Internet nicht die Welt der Medien? Müsste nicht Jürgen Habermas verzückt sein von dem emanzipatorischen Potenzial der Sozialen Medien? (Um es vorwegzunehmen: Er ist es nicht).

Münker weist zu recht darauf hin, dass das Internet die Partizipation der Bürger an den Mediengeschehen zumindest technisch ermöglicht. Seine klugen Ausführungen sind sehr lesenswert, da er weder einer blinden Internet-Euphorie noch einer dumpfen Digital-Angst verfällt, wie man sie in vielen anderen feuilletonistischen Debattenbeiträgen finden kann. Auch hier ist er ein Vermittler.

Medienpraktiker, die sich während ihrer Bürostunden eher selten mit theoretischer Reflexion beschäftigen dürften, sei das schmale Bändchen ans Herz (oder besser: ans Hirn) gelegt. Die Lektüre des Essays ist keine sehr harte Arbeit, auch wenn beim Leser eine gewisse Vorbildung in philosophischen Fragen sicherlich vom Vorteil wäre (erworben zum Beispiel durch das sporadische Lesen der ZEIT).

Stefan Münker: Emergenz digitaler Öffentlichkeiten – Die Sozialen Medien im Web 2.0; edition unseld / Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2009, 144 Seiten, 10,00 €, ISBN 978-3-518-26026-5