Die richtigen Schubladen für Ihre Kunden

Buchkritik:

„Zielgruppen im Konsumentenmarketing“ von Marion Halfmann –   

Kennen Sie einen „Selpie“? Oder einen „Yummie“? Sicherlich kennen Sie MommaDaddys. Und vielleicht gehören Sie sogar selbst zu den „Top Guns“ oder den „Prouds“.  Während sich der normale Verbraucher als einzigartiges Individuum sieht – oder sich bestenfalls über sein Sternzeichen verortet – , sortiert das Marketing die Menschen nach Merkmalen, packt sie in Schubladen und klebt mitunter modern klingende Namen auf ihre Stirn. Die Zielgruppen-Bestimmung ist die hohe Kunst des Marketings. Die richtige Zielgruppe zu identifizieren und zu beschreiben ist eine der Grundvoraussetzung für effektives Marketing.

Doch diese Aufgabe ist gar nicht so einfach: Gesellschaftliche Trends führen zu veränderten Konsumverhalten, der Kunde heute ist weniger berechenbar und konsistent in seinem Verhalten, verglichen mit früheren Zeiten. Damals hat das Einkommen den Konsum bestimmt, heute ist es eine Vielzahl von Faktoren. Demzufolge gibt es auch eine Menge Ansätze, wie man Zielgruppen definieren kann: Nicht nur nach soziodemografischen Merkmalen wie Geschlecht und Alter. Auch Lebensstyle, Lebensphasen, Werte und Konsumgewohnheiten sind heute nicht mehr alleine der Weisheit letzter Schluss: Um den hybriden oder paradoxen Konsumenten zu fassen kann auch seine verfügbare Zeit, die sexuelle Orientierung oder die kontextsensitive Bestimmung der Situation, in dem er sich befindet.

Der Sammelband „Zielgruppen im Konsumentenmarketing“ gibt einen guten Überblick über die Vielschichtigkeit des Themas. Dort können Sie auch nachlesen, was ein „Selpie“ ist (das sind ältere „Second Live Peopple“, die nicht mehr im Arbeitsleben sind und jetzt das Leben nochmal genießen) oder ein „MommaDaddy“ (ein alleinerziehender Elternteil) sind. In ihrem Einführungsartikel kommt die Herausgeberin und Marketing-Professorin Marion Halfmann zu folgendem Schluss: „Es gibt keinen generell überlegenen Ansatz.“ Welches also das richtige Schubladen-System ist, mit denen Sie Ihre Kunden klassifizieren, müssen Sie selbst herausfinden.

Deshalb wird in dem Buch ein weites Spektrum der Herangehensweisen gezeigt. Die verschiedenen Beiträge wechseln dabei die Perspektive: Einige Artikel versuchen eher, die Bedeutung bestimmter Zielgruppen herauszustellen (etwa Schwule, Migranten, Ostdeutsche, Reiche oder Frauen). Andere Beiträge stellen konkrete Modelle vor, wie die unvermeidlichen Sinus-Milieus oder die Euro-Soio-Styles. Hier wäre es allerdings hilfreicher gewesen, wenn anstatt der Darstellung weniger Modelle eine kritische Würdigung der Methode und dem Wert solcher Typologien geliefert worden wäre.

Am spannendsten sind die Artikel, die Ansätze jenseits von Sozio- und Psychografie vorstellen: Etwa das Thema Zeitmärkte (denn Konsumenten unterscheiden sich in ihrer verfügbaren Zeit) oder Geomarketing. Der Band wird mit einigen Praxisbeispielen abgerundet. Auch wenn, wie bei vielen Herausgeber-Bänden, manchmal ein bisschen der Zusammenhang und die Systematisierung fehlt, so ist das Buch „Zielgruppen im Konsumentenmarketing“ eine wertvolle und lesbare Quelle. Es hilft, das schwierige Thema Zielgruppe von unterschiedlichen Blickwinkeln zu sehen. Und vielleicht findet man sein eigenes Konsumverhalten sogar in dem einen oder anderen Segment widergespiegelt.

Marion Halfmann (Hrsg.): Zielgruppen im Konsumentenmarketing: Segmentierungsansätze – Trends – Umsetzung; Verlag Springer Gable, Wiesbaden 2014, 360 Seiten, 69,99 €, ISBN 978-3-6580-0624-2