Und täglich grüßt der Kühlschrank

Buchrezension: 

„2020: So leben wir in der Zukunft“ von Sven Gábor Jánszky –  

Wie sieht ein normaler Arbeitstag von uns im Jahr 2020 aus? Nun ja, die meisten werden vermuten: So ähnlich wie heute. Denn vor zehn Jahren waren unsere Tage ja auch so ähnlich wie heute. Aber wenn wir mal genau darüber nachdenken, dann hat sich doch einiges verändert – nur kommen uns diese Veränderungen heute so selbstverständlich vor, dass wir ihre Bedeutung gerne unterschätzen. Aber Email, Handy, drahtloses Internet, Laptop, Social Networks – aber auch Rauchverbote, Fortschritte in der Medizin oder Navigationssysteme – haben unser Leben und Arbeiten stark beeinflusst. Genauso wird unser Alltag in zehn Jahren durch Technologien und Innovationen anders aussehen es. Dabei gibt es alle diese Neuerungen im Prinzip schon jetzt – wie der Science-Fiction-Autor Bruce Sterling sagt: Die Zukunft ist heute schon vorhanden, sie ist aber ungleich verteilt. Nach diesem Prinzip ist das Buch „2020: So leben wir in der Zukunft“ aufgebaut.

Der Autor ist Trendforscher Sven Gábor Jánszky, dessen Beratungsinstitut Kongresse und „Think Tanks“ veranstaltet, um mit Experten aus allen zukunftsträchtigen Branchen und Unternehmen aktuelle Entwicklungen zu diskutieren. Jánszkys Buch basiert auf den Resultaten dieser Veranstaltungen, doch es ist kein langatmiger Konferenzbericht.

Vielmehr wird ein Tag im Leben einer deutschen Familie im Jahr 2020 berichtet – in allen Einzelheiten, von der Morgentoilette bis zum Abend. In kurzen Geschichten wird erzählt, was die einzelnen Familienmitglieder gerade machen, wie sie arbeiten, essen, Sport treiben, einkaufen oder Medien nutzen. Diese leicht konsumierbaren Stories sind Ausgangspunkte für die Beschreibung der zugrundeliegenden Trends. Anstatt auf gedruckte Literatur wird dabei auf Videos der Vorträge aus dem „Think Tank“ verwiesen, welche sich die Buchkäufer kostenfrei auf der Website des Autors anschauen können.

Die dargestellten Trends und Innovationen sind übrigens zum großen Teil schon bekannt: Der mit Psychopharmaka veredelten „Brain-Joghurt“; die Bettwäsche, die von selbst merkt, dass man erwacht und dann an die elektronische Tapete das Signal schickt, einen Sonnenaufgang zu zeigen; die virtuelle Anprobe in der Modeboutique mit Hilfe der Technik der „Augmented Reality“ (erweiterte Realität); der kaputte Kühlschrank, der selbst den Reparateur beauftragt. Viele Kapitel befassen sich übrigens mit der Mediennutzung.

Auch der wichtigste Trend, der sich wie ein roter Faden durch den Tagesablauf der Zukunfts-Familie zieht, ist eine Medieninnovation: Ein virtueller Assistent (im Buch hat er den menschelnden Namen Rob) sucht aus den Datenströmen aller vernetzten Medien und Geräte jene Informationen aus, die dem persönlichen Interessen- und Bedürfnisprofil des Nutzers entsprechen.

Diese werden dann auf den unterschiedlichsten Endgeräten angezeigt – Handy, TV-Bildschirm, PC, E-Reader, aber auch eine elektronische Tapete, die Windschutzscheibe des Autos oder der Badezimmerspiegel – immer passend zur Situation und Tageszeit. Alles nichts wirklich Überraschendes, aber durch die Alltagsgeschichten anschaulich dargestellt und in einen Zusammenhang gebracht. Das macht das Buch sehr lesenswert, es wird ein wirklich plastisches Bild des Alltags gezeigt.

Natürlich nutzt der Autor sein Werk auch dafür, sein eigenes Beratungsunternehmen dem Leser anzupreisen. Und da deren Kunden eher aus der Marketing- und Werbebranche zu kommen scheinen, wird die Zukunft auch mit einer eher rosaroten Brille gesehen – 2020 ist eine harmonische Konsumwelt, in der die Unternehmen nur noch die Informationen und Waren an den Verbraucher leiten, die ihn auch interessieren, und die Kunden bereitwillig alle persönlichen Daten jedem zur Verfügung stellen.

Doch für Horrorvisionen der Zukunft ist das Kino zuständig, nicht die kommerzielle Trendforschung. Marketing- und Medienexperten sollten sich aber auf diese lohnende Reise in den Alltag des Jahres 2020 einlassen, bis auf weiteres noch mit Hilfe von Buch und Web-Videos, demnächst aber vielleicht auch auf der eigenen Schlafzimmertapete und wer Lust hat, kann darüber dann mit seinem Kühlschrank diskutieren.

Sven Gábor Jánszky: 2020: So leben wir in der Zukunft; Goldegg Verlag, Wien 2009, 318 Seiten, 22,00 €, ISBN 978-3- 901880-04-9

UPDATE 2021:

Nun ja, der Alltag im Jahr 2020 verlief dank Corona für uns alle anders als erwartet. Wie gut hat Sven Gábor Jánszky aber die Grundzüge vorhergesagt? Ich denke, er hat alles richtig erkannt, aber es vor datiert. Die persönlichen Assistenten, die für uns alle möglichen Alltagsaufgaben übernehmen, existieren noch nicht – doch wir werden immer vertrauter mit Algorithmen und K.I., die versteckt für uns arbeitet. Von einer völlig vernetzten Lebensweise sind wir noch entfernt – auch das haben wir im Corona-Jahr nochmal erleben müssen. Aber einige Schritte in die Zukunft, die der Autor beschrieben hat, sind wir schon gegangen. Das Buch ist also trotz seines Titels immer noch aktuell. 2020, so wie es im Buche steht, haben wir noch nicht erreicht. Aber wir sind bereits auf dem Weg dorthin.

Und noch ein Tipp, für alle Trendforscher – er stammt von John Naisbitt aus seinem Buch „Mind Set„: Entwicklungen dauern immer länger, als man denkt. Deshalb sollte man seine Zukunftsvisionen nicht zu früh terminieren, sondern lieber einen Ausblick auf 20, 30 oder besser 50 Jahre liefern. Für den Autor Gábor Jánszky kommt der Rat zu spät: Er hat gerade ein Buch auf dem Markt mit dem Titel „2030 – Wieviel Mensch verträgt die Zukunft?“.