Jenseits der Standard-Zielgruppe

Sie ist fest in vielen Köpfen der Marketing-Entscheider verankert: Die „werberelevante Zielgruppe im Alter von 14 bis 49 Jahre“. Zu recht oder schränkt man sich zu sehr ein, wenn man ältere Bevölkerungsteile als irrelevant für das Marketing ansieht? w&v – die Fachzeitschrift für Werbung und Marketing, recherchierte zu diesem Thema und stellte Fragen an Experten aus Agenturen und Unternehmen. Meine Einschätzung dazu können Sie hier lesen:

Die traditionelle Zielgruppe 14 – 49 wird immer wieder in Frage gestellt. Gibt es einen neuen aktuellen Trend in der Zielgruppenforschung (neue Zielgruppe)?

Die „traditionelle“ Zielgruppe wird in erster Linie von TV-Vermarktern in Frage gestellt, die gerne mit höheren Reichweiten hausieren gehen würden. Außerdem gibt es Marketing-Experten, die für viele Produkte das Umsatzpotenzial der Zielgruppen ‚über 50 Jahren’ für wichtig halten. Beides hat aber nichts miteinander zu tun.

Es plant so gut wie niemand mit der Zielgruppe ‚Erwachsene 14 bis 49 Jahre’ – jede Zielgruppe wird individuell nach den Anforderungen der Kunden und den Kampagnenzielen bestimmt.

In der Kommunikation der Vermarkter – insbesondere der TV-Sender – werden die 14-49jährigen nur als eine Vergleichszielgruppe verwendet. Sie bildet quasi den kleinsten gemeinsamen Nenner vieler Media- und Marketing-Zielgruppen. Diese haben zumeist eine obere Altersgrenze, d.h. die Segmente ‚über 50 oder 60 Jahre’ werden heraus definiert. Der Grund dafür ist aber nicht, dass diese Segmente als Kunden uninteressant seien. Es ist vielmehr so, dass die Älteren mehr Medien nutzen (insbesondere TV und Zeitschriften) und dementsprechend bei den meisten Mediaplänen immer überdurchschnittlich erreicht werden. Damit die jüngeren Segmente nicht unterdurchschnittlich erreicht werden, müssen sich die Media- und Programmplaner mehr um sie bemühen. Deshalb werden TV-Pläne auf jüngere Leute hin optimiert. Und die Alten bekommt man quasi on top dazu.

Welche Zielgruppe(n)ist/sind derzeit von den Werbungtreibenden besonders gefragt?

Jedes Produkt und jede Kampagne erfordert eine individuelle Zielgruppenbetrachtung. Es gibt eine Tendenz zu einer stärkeren Unter-Segmentierung. Das bedeutet, dass eine Kampagne mit mehreren Motiven bestimmte Teile der Zielgruppe besonders anspricht. Eine solche Aussteuerung funktioniert gut in Print und Online, im TV gibt es dann eher einen Spot für alle.


Welche Merkmale beschreiben diese Zielgruppe(n)?

Wir beschäftigen uns gerade zunehmend mit Multiplikatoren und Innovatoren. Das sind Personen, die andere Menschen beeinflussen. Oder solche, die ein neues Produkt als erste ausprobieren. Viele herkömmliche Vorstellungen zu Meinungsführern werden durch die neue Forschung zu sozialen Beziehungen in Frage gestellt. Auch unsere eigenen Studien geben uns hier die Möglichkeiten zu einer differenzierten Zielgruppenansprache. So haben wir eine repräsentative Studie zu den Multiplikatoren in der Finanzkommunikation durchgeführt, zusammen mit den Spezialisten für Netzwerkanalyse, FAS-Research. Da zeigt sich, dass die wirklich relevanten Meinungsführer sich für andere Themen interessieren und andere Informationen benötigen als andere Kunden.  

Was macht sie für die Werbungtreibenden so spannend?

Menschen beeinflussen sich gegenseitig. Wir sind fast alle Teil eines Netzwerks von Experten: Der eine gibt Tipps über PCs, die andere kennt sich mit gesunder Ernährung aus. Wir tauschen uns aus, verbreiten Informationen, geben Ratschläge. Das Internet verstärkt diese Dynamik noch. Wenn wir dies verstehen, können wir die Einflussstärke unserer Marketing-Kommunikation erhöhen. Eben dadurch, dass wir diejenigen Menschen besonders ansprechen, die auf ihre Freunde und Bekannte besonders einwirken. Durch unsere Studien und die Zusammenarbeit mit FAS-Research sind wir in der Lage, diese Menschen auch tatsächlich zu identifizieren, während die herkömmlichen Ansätze hier nur an der Oberfläche kratzen.