Native oder Naive Advertising?

Redaktionell gestaltete Werbung hat ihre Berechtigung – aber nur, wenn sie als Werbung erkennbar ist. Wer glaubt, Kunden etwas unterjubeln zu können, zeigt nur seine eigene Naivität. Dazu mehr in meiner Kolumne, die ich für Springer Professionals geschrieben habe.

Marketing-Begriffe sind oft nicht viel mehr als alter Wein in neuen Schläuchen. Die Werbebranche liebt das Neue, deshalb wirkt Etabliertes schnell alt und verstaubt, ein neuer Name scheint da Abhilfe zu schaffen. Manchmal wird eine solch gewendete Idee tatsächlich ein Hit – das Gedächtnis der Branche ist vergesslich.

Im Augenblick lieben die Online-Werber in den USA das „Native Advertising“. Damit ist nicht etwa Werbung von Ureinwohnern gemeint, sondern die Praxis, auf Websites Werbungtreibenden eigene Fenster und Microsites zur Verfügung zu stellen, in denen sie werbliche Inhalte präsentieren dürfen. Durch die redaktionelle Aufbereitung wird daraus aber keine herkömmliche Werbung, sondern sie passt sich perfekt dem Umfeld an, liefert interessante Stories oder News und wirkt deshalb so natürlich wie die eigentlichen Ureinwohner der Seite, nämlich die „echten“ redaktionellen Elemente.

Das gute alte Advertorial

Auch wenn Manches bei solchen Werbemaßnahmen innovativ anmutet (etwa die geschickte Integration einer Microsite auf dem Werbeträger), so handelt es sich doch eindeutig um einen alten Bekannten: Das Advertorial. Diese Werbeform ist schon lange etabliert, besonders in Printmedien. Eine Anzeige wird redaktionell gestaltet – das heißt, sie sieht aus wie ein normaler Zeitschriftenbericht, mit viel Text und Informationen. Der Vorteil: Bei erklärungsbedürftigen Produkten, bei denen die Konsumenten durch gute Argumente überzeugt werden müssen, liefern Advertorials die benötigten Informationen. Der klare Informations-Fokus macht diese Art von Werbung besonders glaubwürdig – doch in Sachen Aufmerksamkeit kann sie nicht mit den schöneren und plakativeren Werbeanzeigen mithalten.

Sowohl bei Advertorials wie auch beim modernen Native Advertising gibt es ein grundlegendes Missverständnis: Viele Werber glauben, der Erfolg einer solchen Werbung bestehe darin, das die Anmutung des redaktionellen Umfelds möglichst perfekt imitiert wird. Der Konsument soll gar nicht merken, dass es sich um Werbung handelt, dann glaube er auch alles, was im Text steht. Dafür gibt es auch ein schönes Wort – ausnahmsweise aber mal auf Deutsch: Schleichwerbung. Ist Native Advertising nichts anderes, als Schleichwerbung?

Schleichwege zum Kunden

Wer so wirbt, verkauft zwar, aber nur seine Kunden für blöd. Erfolg wird er damit nicht haben. Studien zeigen, dass Rezipienten ein gutes Gespür dafür haben, was Werbung ist und was nicht. Werden sie jedoch getäuscht, zeigen sie das, was Psychologen Reaktanz nennen – die Abwehr eines Beeinflussungsversuchs. Es ist schon ziemlich naiv zu glauben, dass die eigenen Leser und Website-Nutzer auf solche Tricks hereinfallen. Ist dann Native Advertising ein Irrweg?

Mit offenem Visier

Nicht unbedingt, denn gute Argumente, interessante Informationen, aktuelle Nachrichten oder spannende Stories können für den Konsumenten eine hohe Relevanz haben. Wenn sie ansprechend aufgemacht werden, dann profitiert der Nutzer davon – das erfordert aber Klarheit, Transparenz und Ehrlichkeit. Der Nutzer muss ernst genommen werden – auch keine neue Erkenntnis. Anders als PR kämpft Werbung immer mit offenem Visier – die Beeinflussungsabsicht ist nicht versteckt, sondern Teil des Spiels. Mit dem Nachteil, dass Konsumenten Werbung leichter vermeiden können. Die Werbung muss sich dieser Realität stellen, aber nur mit Relevanz und nicht mit Täuschung. Ein Erfolgsrezept dabei ist, für die Zielgruppe relevante Themen spannend zu erzählen. Hierzu lässt dich der Ansatz des Narrative Brand Plannings nutzen, den die Springer-Autoren Frank Otto Dietrich und Ralf Schmidt-Bleeker in ihrem Beitrag „Narrative Brand Planning in drei Schritten“ beschreiben.

Narrative Brand Planning in drei Schritten

Schritt 1: Bedeutungserfassung: Klar muss sein, dass Marken kommunikative Phänomene sind, die sich über Gespräche konstituieren. In diesem ersten Schritt geht es darum, etwas innerhalb der Marke zu finden, das so spannend ist, dass sich Menschen über dieses Thema unterhalten.

Schritt 2: Bedeutungsreflexion: In diesem Schritt wird geprüft, ob das, was zunächst erhoben wurde, auch wirklich spannend ist. Das Ergebnis dieses Schrittes sind strategisch tragfähige Spannungskonstrukte.

Schritt 3: Bedeutungsgenese: Es wird eine strategische Idee für die Marke generiert, die auf die Markenbedeutung einwirkt. Dabei wird aus den Spannungskonstrukten des zweiten Schrittes eine „universelle Wahrheit“ für die Marke entwickelt, für die die Marke (zukünftig) stehen soll.