Identität, Konflikte und Konsum

Buchkritik:

“Consumer’s Mind” von Rudolf Sommer – 

Viele Bücher werben in letzter Zeit damit, den Konsumenten ins Gehirn zu schauen oder seine unbewussten Kaufmotive freizulegen. Meist wird dazu das Schlagwort „Neuromarketing“ bemüht, ganz egal, ob die vorgestellten Modelle und Befunde tatsächlich aus der aktuellen neurowissenschaftlichen Forschung stammen oder eher aus den bewährten Fundus der Konsumentenpsychologie zusammengesucht wurden.


Mit „Consumer’s Mind – Die Psychologie des Verbrauchers“ von Rudolf Sommer liegt ein weiteres Werk zum Thema vor, doch der Autor, ein erfahrener psychologischer Marktforscher, verzichtet erfrischender Weise auf den gerade populären Neuro-Jargon (obwohl er selbstverständlich auch auf aktuelle Forschungen aus diesem Bereich eingeht, ohne überzogene Erwartungen zu wecken).

Was Sommer liefert, ist eine gut lesbare und umfassende Einführung in die psychologische Marktforschung. Grundlegende Themen wie Konsum und Lebensstil, Kaufmotive oder Emotionen in der Kaufentscheidung werden ausgiebig erörtert. Dabei geht er von einem Modell aus, dass sich wie ein roter Faden durch das ganze Buch zieht: Für Sommer lässt sich das Konsumentenverhalten aus einem dynamischen Konflikt zwischen dem nach Triebbefriedigung strebenden „Selbst“ und dem rationalen, erwachsenen und analytischen „Ich“ betrachten.

Um es an einem vereinfachten Beispiel zu zeigen: Wenn ich am Regal mit Schokolade im Supermarkt vorbei gehe, schreit mein „Selbst“ nach Süßigkeiten, während mein „Ich“ mich daran erinnert, dass ich abnehmen und mich gesund ernähren will. Wenn man diese Konflikte versteht, kann man sie für das Marketing nutzen – z.B. in dem Schokoriegel mit der gesunden „Extraportion Milch“ angeboten werden und damit „Selbst“ und „Ich“ versöhnen.

In „Consumer’s Mind“ kommt Sommer immer wieder auf diese Grundkonstellation zurück, ergänzt sie aber um eine Vielzahl von weiteren psychologischen Einsichten. Jeder, der sich mit Marketing beschäftigt, wird hier viele tiefe und wertvolle Erkenntnisse finden. Allerdings handelt es sich nicht um ein Lehrbuch, das systematisch vorgeht oder in dem Informationen leicht auffindbar sind – man muss den Band schon von der ersten bis zur letzten Seite lesen.

Alle Hilfsmittel fehlen, mit denen andere Bücher gestresste Manager oder Studenten in der Examensvorbereitung durch den Text navigieren – also Checklisten, Übersichts-Diagramme, Kontrollfragen – selbst ein Stichwortverzeichnis sucht man vergebens. Bei dem recht hohen Preis von 68 Euro hätte man dies durchaus erwarten können. Dafür werden in dem Buch aber auch wichtige Punkte behandelt, die in anderen Darstellungen oft fehlen – etwa das Problem der Zuordnung von Werbebotschaft und Quelle (d.h. Werbeträger) bei Konsumentenbefragungen. Doch um diese Informationen zu finden, kommt man über die vollständige Lektüre nicht herum.

Rudolf Sommer: „Consumer’s Mind – Die Psychologie des Verbrauchers“, Deutscher Fachverlag (Edition Horizont), Frankfurt am Main 2007, 262 Seiten, 68,00 EUR, ISBN 978-3-8664-1059-6