Neuromarketing ohne Jargon und Tiefgang

Buchkritik:

„Buyology“ von Martin Lindstrom – 

Hier geht es mal wieder um das Thema Neuromarketing – an dieser Stelle wurden schon zahlreiche Bücher zu diesem Themenkomplex rezensiert. Das besondere an diesem englischsprachigen Buch (die deutsche Übersetzung liegt mittlerweile vor) ist sein nicht geringer Anspruch: Es verspricht im Untertitel nicht mehr oder weniger als die Wahrheit – „Truth and Lies about Why We Buy“. Um es vorweg zu nehmen: Das sollte man nicht allzu ernst nehmen.

Auch diese Veröffentlichung hat die Wahrheit nicht gepachtet, doch unterscheidet es sich im Tonfall und Stil von den meisten anderen Neuromarketing-Büchern. Während gerade deutsche Neurowissenschaftler immer sehr vorsichtig sind, sich erst am Anfang eines langen Weges wähnen und die Vorläufigkeit ihrer Befunde betonen, geht Martin Lindstrom an sein Thema ganz anders heran.

Er behauptet einfach, einige der grundlegenden praktischen Marketing-Fragen anhand von Neurostudien beantwortet zu haben. Das schreibt er mit dem Brustton der Überzeugung, der wenig Raum für Relativierungen zulässt. Dabei stützt er sich auf ein sehr umfangreiches internationales Forschungsprojekt zum Thema Neuromarketing, bei denen über 2.000 Personen untersucht wurden – allerdings nur bei ca. hundert davon wurden aufwendige Hirn-Scans mit der Methode der funktionellen Magnetresonanztomographie durchgeführt, beim Rest wurde die Gehirnaktivität nur durch Messungen an der Kopfhaut ermittelt (ein einfacheres, aber auch fehleranfälligeres Verfahren).

Auf dieser immer noch sehr breiten empirischen Basis baut Lindstrom seine Behauptungen auf. Dabei hält er sich kaum mit dem üblichen Neuro-Jargon auf, vernachlässigt methodische oder theoretische Aspekte der referierten Forschung. Stattdessen erzählt er anschaulich und oft auch amüsant, welche Problemstellungen hinter den Neuro-Experimenten stehen und welche einfachen Antworten sie liefern. Gerne versorgt er den Leser mit erzählerischen Details, z.B. in dem er einzelne Versuchspersonen vorstellt und über deren Leben und Ansichten plaudert.

Das ist im Vergleich zur trockenen Wissenschaftssprache deutscher Veröffentlichungen zumindest wohltuend anders und ungleich lesefreundlicher, wenn man auch den Eindruck hat, das ein kleiner Klumpen Teig hier auf eine zu große Fläche ausgewalzt werden soll. Einige der präsentierten Erkenntnisse sind nicht neu – etwa das Sponsoring sich nicht immer auszahlt oder Warnhinweise gegen Rauchen das Gegenteil bewirken. Viele der Befunde entstammen auch nicht dem vorgestellten Forschungsprojekt, sondern aus älteren Studien oder sie sind Ableitungen aus der neurowissenschaftlichen Grundlagenforschung.

Hier ist die Grenze zur Spekulation sehr dünn – vielleicht sind wirklich Spiegelneuronen aktiv, wenn wir jemand anderen mit einem iPod sehen, aber das erklärt noch nicht, warum gerade der iPod so eine starke Begehrlichkeit auslöst und andere Produkte nicht. Wenn man ein Phänomen mit Begriffen aus der Neurowissenschaft etikettiert, ist damit noch lange nicht alles erklärt. Lindstroms Überlegungen sind auf jeden Fall hilfreich, das für den Laien verwirrende Feld der neuroökonomischen Forschung etwas übersichtlicher zu gestalten und die für die tägliche Arbeit relevanten Rosinen herauszupicken, deshalb ist „Buyology“ schon eine anregende Lektüre.

Martin Lindstrom: Buyology – Truth and lies about why we buy; Bantam Dell Pub Group, New York 2008 (Taschenbuch), 256 Seiten, ca. 19,– €, ISBN 978-0385523882