Buchkritik:
„PR im Social Web“ von Marie-Christine Schindler & Tapio Liller –
Schon wieder ein Buch über das Social Web? In den Regalen der Buchhändler stehen doch mittlerweile genügend Bücher, die den mehr oder minder unbedarften Geschäftsmann die Möglichkeiten von Social Networks und anderen Plattformen anpreisen. Falls im Titel noch der Begriff „Web 2.0“ vorkommt, weiß man, dass das betreffende Buch schon uralt ist – nämlich älter als 1,5 Jahre – im Internet-Zeitalter ist das eine verdammt lange Zeit.
Das Buch, das wir uns heute anschauen wollen, ist da aktueller und heißt „PR im Social Web“. Der Themenschwerpunkt wird unmissverständlich klar, doch ist das Buch nicht nur für professionelle Öffentlichkeits-Arbeiter interessant. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Konkurrenzprodukten liefert es keine oberflächlichen Praxistipps für Kleinstunternehmer, denen man erklären muss, wie sie sich bei Facebook anmelden müssen. Die zwei Autoren, beides erfahrene PR-Berater, haben ein umfassendes Handbuch erstellt, das sehr nachvollziehbar die Kommunikationsmöglichkeiten und Mechanismen der sozialen Medien erläutert. Der englische-deutsche Jargon der Social-Web-Gemeinde wird für den Uneingeweihten in eine klare, manchmal schon fast ein bisschen dröge anmutende Sprache übersetzt.
Natürlich befassen sich viele Kapitel mit sehr PR-spezifischen Themen – etwa der Distribution von Pressemitteilungen im Internet. Doch selbst diese enthalten Aspekte, die auch für Marketing- und Werbeleute nicht unwichtig sind – von Blogger Relations, über Personalmarketing bis zum rechtlichen Rahmen. Was aber besonders lohnend für jeden Leser ist, sind die eher grundsätzlichen, theoretischen Überlegungen. So erläutern die Autoren sehr verständlich die verschiedenen Verlaufsformen einer Kommunikationskrise und wie sich soziale Medien und herkömmliche Massenmedien gegenseitig beeinflussen und hochschaukeln können. Exotisch anmutende (und schwer auszusprechende) Fachbegriffe wie „Brouhaha“ werden erklärt – das ist übrigens ein Aufreger-Thema, das nur ein begrenztes Internet-Publikum interessiert und deshalb von den herkömmlichen Medien nicht aufgegriffen wird.
Schlimmer ist dann doch eine Resonanz-Krise: Hier wird das für ein Unternehmen unangenehme Thema zwar als erstes von Bloggern und Foren aufgebracht, aber die Massenmedien greifen es schnell auf verstärken die Dynamik online und offline. Auch der etwas derbe Begriff „Shitstorm“ wird erklärt und das so benannte Phänomen analysiert: Wenn schnell eine Welle von negativen Kommentaren eine Firma überrollt, wie es etwa PayPal passiert ist, als die Wikileaks den Geldhahn abgedreht hatten. Dieser Theorieteil ist sehr lesenswert und hilft enorm, die Spielregeln im Social Web besser zu verstehen. Hinzu kommen eine Vielzahl von praktischen Tipps (z.B. welche Internet-Tools ein einfaches Social Media Monitoring ermöglichen).
Bei einigen Punkten sind die Verfasser sogar ein bisschen zu ausführlich, aber ein Handbuch muss man ja auch nicht zwangsläufig von vorne bis hinten komplett lesen. Und zumindest der Theorieteil dürfte auch noch in ein bis zwei Jahren relevant bleiben – eine halbe Ewigkeit im Internet-Zeitalter.
Marie-Christine Schindler / Tapio Liller: PR im Social Web – Das Handbuch für Kommunikationsprofies; O‘Reilly, Köln 2011, 360 Seiten, 29,90 €, ISBN 978-3-89721-563-4