Wirken statt Blinken

Der Konsument wird immer souveräner – doch gerade die Online-Werber scheinen das zu ignorieren. Werbeakzeptanz ist der kommende Kampfplatz der Media-Gattungen. Verlangt eine steigende Werbeverdrossenheit nach aufdringlicherer Unterbrecher-Werbung oder nach „Slo-vertising“?

Vor einiger Zeit fand die dmexco statt, die größte Messe für Online-Marketing hierzulande. Wer dort war, traf folgendes an: volle Hallen, viele Menschen, Lärm und hunderte von Messeständen, die mit allen Mitteln (oft Promis, Freibier und Livemusik) um die Aufmerksamkeit der Besucher buhlten. Die fühlten sich nicht selten etwas verloren. Das ist aber ok, denn diese Messe ist ein Spiegel der Online-Welt: Banner, Pre-Rolls, Layers und E-Mails blinken und prasseln auf den Nutzer ein. Und der ist davon genervt.

Digitales Stalking als Geschäft

28 Prozent der deutschen halten Internet-Werbung für lästig, laut der aktuellen Studie best for planning. Die Online-Branche scheint das wenig zu bekümmern. Sie arbeiten an ausgefeilteren Techniken, um ihre User zu nerven. Was der Online-Werber stolz als Re-Targeting bezeichnet, nimmt der Konsument als digitales Stalking war. Was als innovative Social-Media-Kampagne gedacht ist, sehen Facebook-Nutzer als Eingriff in ihre Privatsphäre. Realtime Advertising soll dafür sorgen, dass der Nutzer keine Verschnaufpause bekommt. Manche Agenturen nennen ihre Kommando-Zentrale zur Aussteuerung der Echtzeit-Werbung „War Room“. Werbung als Feldzug gegen den Konsumenten – das hört sich alles andere als modern an und erinnert eher an die Anfänge der Werbung im 19. Jahrhundert.

Jeder Trend führt aber auch zu einem Gegentrend. Menschen gehen selektiver mit Medien und Werbung um – dabei nutzen sie zunehmend Filter, um Werbung aus den Weg zu gehen. Technische Filter wie Adblocker, Festplatten-Rekorder oder „Bitte-keine-Werbung!“-Aufkleber. Oder psychische Filter: Selektive Aufmerksamkeit, Habituation, Reaktanz. Das Thema Werbeakzeptanz, von der Media-Branche vernachlässigt, ist für den Konsumenten wichtig.

Real Time War Room oder Slo-vertising

Nur selten wird das in der Branche thematisiert. Der Slow-Media-Blog versucht, einen bewussteren Umgang mit Medien zu propagieren. Und die aktuelle Werbekampagne der Zeitungs Marketing Gesellschaft ZMG spricht von Slo-vertising . Zu Recht, denn gerade in der Tageszeitung schätzen Konsumenten den selbstbestimmten Umgang mit Anzeigen und Prospekten. Nur 11 Prozent halten (laut best for planning) Werbung in Tageszeitungen für lästig und nur 9 Prozent für störend – lediglich die Plakatwerbung bekommt noch bessere Werte.

Das Internet hat den Menschen einen Zuwachs an Souveränität gebracht – er kann heute leichter Preise vergleichen, ist nicht mehr an Öffnungszeiten gebunden und kann überall seine Meinung äußern. Nur in der Online-Werbung werden die Nutzer noch für unmündig gehalten, etwa durch Werbe-Pre-Rolls vor Videos, die man nicht wegklicken kann, oder durch Unterbrecher-Werbung wie Interstitials oder Flash-Layers. Auf der anderen Seite sollten sich gerade die Print-Verlage auf Ihre Stärke besinnen: Die hohe Werbeakzeptanz und Werbewirkung von Print-Werbung, die gerade mit dem selbstbestimmten Umgang mit Anzeigen zusammenhängt.