Buchkritik:
„Theorien der Mediennutzung“ von Wolfgang Schweiger –
Nicht nur die kommerzielle Mediaforschung versucht herauszufinden, wie Menschen Medien nutzen. Es gibt auch einen sehr umfangreichen Bestand an wissenschaftlichen Theorien und Modellen, Methoden und Befunden rund um die Mediennutzung – von biopsychologischen Modellen über Erregung und Aufmerksamkeit bis hin zu kulturwissenschaftlichen Studien darüber, ob TV-Zuschauer sich beim Fernsehen mit ihrer Familie unterhalten. Da einen Überblick zu bekommen, ist auch für akademische Fachvertreter schwierig, zumal es etliche Forschungsrichtungen gibt, die voneinander wenig Kenntnis nehmen. Da forscht lieber jeder Professor auf seinen ausgetretenen Pfaden vor sich hin, anstatt einen fruchtbaren Austausch von Modellen und Erkenntnissen zu fördern.
Das andere wichtige Thema der Medienforschung, nämlich die Medienwirkungsforschung, zeigt schon eher ein geschlossenes Bild, was sich auch in der Anzahl verfügbarer Lehrbücher widerspiegelt. Bisher fehlte Vergleichbares zum Thema Mediennutzung, auch deshalb, weil viele Autoren keine klare Trennung zwischen Medienwirkung und Mediennutzung ziehen. Zur Mediennutzung ist nun endlich ein umfangreiches Überblickswerk erschienen: „Theorien der Mediennutzung – Eine Einführung“. Verfasst von dem Münchener Kommunikationswissenschaftler Wolfgang Schweiger, liefert das Buch mehr als nur einen oberflächlichen Überblick.
Die Fülle an Material, ausgebreitet auf fast 400 Seiten, vermittelt die Komplexität des Forschungsgegenstandes und erlaubt es auch, interessante Querverbindungen zu suchen. Die Gliederung erfolgt anhand wissenschaftstheoretischer Überlegungen – so werden z.B. „selektions-“ und „rezeptionsorientierte“ Ansätze unterschieden –, was natürlich Praktikern, die nicht tief im wissenschaftlichen Diskurs stecken, ein Querlesen auf der Suche nach relevanten Einzelbefunden erschwert. Aber das Publikum einer solchen Publikation sind eben nicht interessierte Laien, sondern andere Wissenschaftler und bestenfalls noch deren Studenten. Der Text ist sehr dem wissenschaftlichen Jargon verhaftet, aber dennoch mit Gewinn lesbar für Interessenten, die sich nicht gleich durch Fachbegriffe abschrecken lassen. Sie bekommen einen fundierten und durchaus vertiefenden Einblick in die Materie.
An einigen Stellen ist der Anspruch des Autors, das Thema allumfassend abzubilden, den Lesevergnügen hinderlich. Muss der Abschnitt „Unterhaltung in den Medien“ tatsächlich mit dem griechischen Philosophen Epikur beginnen, oder wäre da nicht eine Konzentration auf die wichtigen Aspekte besser gewesen? Positiv fällt auf, dass auch aktuelle Entwicklungen der Theoriebildung referiert werden, z.B. die Erforschung der Computerspiel-Nutzung unter dem Begriff „Presence“. Dieser Ansatz ist in vielen älteren Lehrbüchern noch nicht zu finden.
Was das Buch nicht liefert, ist eine wirklich umfassende Darstellung der angewandten Mediaforschung. Wer für dieses Thema eine (wissenschaftliche) Einführung sucht oder einen wirklich kompakten Überblick über die Erforschung der Mediennutzung erwartet, dem sei hier noch einmal das schmale Taschenbuch „Mediennutzung“ von Michael Meyen ans Herz gelegt. Nur wer es genauer wissen will, der greife zu Schweigers „Theorien der Mediennutzung“.
Wolfgang Schweiger: „Theorien der Mediennutzung – Eine Einführung“, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2007, 396 Seiten, 24,90 EUR, ISBN 978-3-531-14827-4