Kernkompetenz: dezentrale Entsorung von Altpapier?

In der Zeitschrift LETTER, dem Mitgliedermagazin der Deutschen Fachpresse, ist ein Interview mit mir erschienen.

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Es geht dabei um die veränderte Rolle der Fachzeitschriften für die Business-to-Business-Kommunikation. Fachzeitschriften sind heute nur eine Infoquelle unter vielen und gerade die Entscheidungsträger sind versiert darin, Medien und Informationen sehr selektiv zu nutzen. Dementsprechend müssen sich die Fachverlage mehr anstrengen, um für Anzeigenkunden und Leser weiterhin attraktiv zu sein. Das komplette Interview gibt es hier…

Interview aus Letter – Informations-Service der Deutschen Fachpresse“ – Ausgabe Dezember 2009 (16.12.2009), S. 23-24

„Fachzeitschriften sind nach wie vor wichtig, aber sie sind nicht die einzigen Lieferanten für relevante Informationen“

Durch die Digitalisierung hat sich die Zusammenarbeit von Verlagen und Agenturen verändert. Welche Anforderungen von Kundenseite an Agenturen gestellt werden und wie Werbekunden über ihre Budgets entscheiden, erklärt Dirk Engel, Head of Resaerch bei Universal McCann (Frankfurt am Main).

Letter: Herr Engel, Sie arbeiten als Mediaforscher bei einer großen internationalen Agentur in der B-to-B-Kommunikation. Wie und wodurch hat sich die Fachmedienlandschaft in Deutschland in den letzten Jahren verändert?

Dirk Engel: Die Digitalisierung hat bisher nicht das papierlose Büro gebracht. Im Gegenteil: Heute werden mehr Drucksachen hergestellt und verschickt als je zuvor. Das gilt auch für Fachzeitschriften. Je mehr einzelne Titel es jedoch gibt, desto geringer ist die durchschnittliche Auflage und Reichweite pro Titel. Geld und Aufmerksamkeit der potenziellen Leser ist begrenzt, deshalb führt die wachsende Zahl an Zeitschriften zu einem härteren Konkurrenzkampf und auch zu mehr kostenlos verbreiteten Meiden.
Im Internet ist außerdem alles viel einfacher, viele Fachinformationen bekommt man kostenfrei oder sehr einfach auf der Website. Auch sind Social Media – also Internetseiten, in denen Mediennutzer selbst ihre Inhalte bereitstellen – nicht nur im Endverbrauchermarkt, sondern auch im Geschäftsleben wichtig, wie z.B. das Network Xing oder vielen Experten-Foren im IT-Bereich.
Beurteilungen, Meinungen und Nachrichten bekommt man heute aus vielen unterschiedlichen Quellen. Fachzeitschriften sin da nach wie vor wichtig, aber sie sind nicht die einzigen Lieferanten für relevante Informationen.

Letter: Wie wirkt sich die veränderte Medienlandschaft auf die B-to-B-Kommunikation und die Entscheidung über Werbebudgets beim Kunden aus?

Dirk Engel: Je unübersichtlicher das Angebot wird, desto größer ist die Unsicherheit. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder man vertraut Bewährtem. Oder man verlangt nach mehr und genaueren Informationen. Bei der Fachzeitschriftenplanung kann man beides beobachten. Es gibt Unternehmen, die seit Jahren immer die gleichen Titel belegen und relativ unbeeinflusst durch Auflagen oder Reichweiten sind.
Andere möchten von ihrer Agentur eine Beurteilung für jeden einzelnen Titel. Sie benötigen dafür so viel Daten wie möglich, etwa IVW geprüfte Zahlen für verbriete und verkaufte Auflagen, Empfänger- oder Leser-Strukturdaten, im Idealfall vergleichbare Reichweitendaten auf Basis einer Mediastudie. Bei welchem Titel die Werbebudgets investiert werden, hängt dann von den Leistungswerten ab.

Letter: Haben sich dadurch die Kommunikationsaufgaben von Mediaagenturen verändert, d.h. ist Ihre Beratungsleistung heute eine andere?

Dirk Engel: Das Bild von der Mediaagentur als reine Schalt- und Einkaufsagentur ist schon jetzt obsolet. Mediaagenturen sind nicht mehr der Streudienst der Werbebranche, sondern wichtige und einflussreiche Kommunikations- und Marketingberater. Zu ihren Aufgaben gehören heute u.a. Suchmaschinen-Optimierung, die inhaltliche und technische Steuerung umfassender digitaler Kampagnen, Geomarketing, Marktforschung, die integrierte Planung aller relevanten Kanäle jenseits der klassischen Medien und die Schulung der Kunden in all diesen Berieche.
Das funktioniert nur, wenn man so viel wie möglich über die Zielgruppen herausfindet, weshalb strategische Planung und Consumer Insights immer wichtiger werden. Verlagen sollten versuchen, die Agenturen bei diesen Aufgaben zu unterstützen.

Letter: Bei einer Podiumsdiskussion im „Zentrum Fachmedien“ auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse haben Sie gesagt: „Wir denken nicht in Meiden. Wir denken in Zielgruppen.“ Was heißt das?

Dirk Engel: Die Medien müssen sich nach den Menschen richten, weil diese sich schon lange nicht mehr nach Medien richten. Es gibt einen allgemeinen Trend hin zu einer Emanzipation des Nutzungsverhaltens von starren Mustern – heute möchten wir selbst bestimmen, wann und wo wir uns informieren oder unterhalten. Wir erwarten mehr Auswahl und Interaktionsmöglichkeiten.
Manager sind Virtuosen in der Informationsverarbeitung, sie beherrschen perfekt ein „Attention Management“, mit dem sie die Spreu vom Weizen trennen. Wenn wir das verstehen, können wir ihnen bessere Angebote machen, damit unsere Botschaften Gehör finden.

Letter: Was ist Ihr größter Wunsch an Fachverlage? Was könnte die Zusammenarbeit zwischen Agentur und Verlag noch erfolgreicher machen?

Dirk Engel: Neben dem schon erwähnten Wunsch nach verlässlichen Reichweiten und Auflagen sowie nach ergänzenden Studien über Funktion und Wirkung der Gattung Fachzeitschriften, wünschen wir uns eine höhere Kundenorientierung. Damit ist auch das Verhältnis zu den Anzeigenkunden und Agenturen gemeint.
Verlage sollten Agenturen bei ihrem immer komplexer werdenden Job unterstützen, etwa durch gut aufbereitete und leicht lesbare Brancheninformationen. Aber sie sollten sich auch besser um ihre Leser kümmern und ihr Angebot den veränderten Informationsbedürfnissen der Entscheider anpassen.
Dazu gehört auch eine Strategie für digitale und mobile Medien. Die Verlage müssen überlegen, ob ihre Kernkompetenz darin besteht, Altpapier dezentral zu entsorgen, oder relevante Informationen zum richtigen Zeitpunkt an die richtigen Leutze zu vermitteln.

Die Fragen stellte Caroline Reich.