Zwischen Hype, Infrastrukturdefiziten und einer unklarer Verortung
In meinem Beitrag „Retail Media im Aufbruch – Struktur, Potenzial und Herausforderungen eines neuen Werbekanals“ in transfer 02/2025 analysiere ich die Entwicklung von Retail Media – und werfe einen kritischen Blick auf Strukturprobleme, begriffliche Unschärfen und operative Herausforderungen dieses derzeit viel beachteten Werbemodells.
Retail Media beschreibt Werbemaßnahmen, die direkt auf den Plattformen von Einzelhändlern stattfinden – etwa auf Websites, in Apps oder über digitale Bildschirme im stationären Handel. Ziel ist es, Konsumenten im unmittelbaren Kaufkontext anzusprechen. Grundlage dafür sind sogenannte First-Party-Daten der Händler, also Informationen über Kundinnen und Kunden, die beim Einkauf oder durch Loyalty-Programme anfallen.

Der Begriff grenzt sich formal von klassischen Werbekostenzuschüssen (WKZ) ab – und das ist wichtig. Während WKZ traditionell Maßnahmen am Point of Sale fördern, häufig aus dem Einkaufsetat stammen und vorrangig auf Verkaufsförderung abzielen, versteht sich Retail Media als eigenständige digitale Medialeistung. Dennoch sind in der Praxis die Abgrenzungen oft unscharf, Budgetstrukturen nicht eindeutig geklärt und Zuständigkeiten unklar. Hier zeigt sich ein strukturelles Problem: Die Integration in die bestehende Mediaplanung ist organisatorisch wie strategisch nicht durchgängig gelöst.
Die Bandbreite der Werbeformate ist groß: Sie reicht von Sponsored Products (hervorgehobene Produktplatzierungen in Onlineshops) über Display Ads, Videoanzeigen und Retargeting bis hin zu Digital-Out-of-Home-Flächen im Laden. Während Onsite-Werbung direkt auf Händlerplattformen erscheint, nutzt Offsite-Werbung Händlerdaten für gezielte Ansprache auf externen Kanälen. Besonders für sogenannte endemische Marken – also Produkte, die direkt beim Händler verkauft werden (z. B. Lebensmittel bei einem Supermarkt) – gilt Retail Media als wirkungsstark. Doch auch hier fehlt es an standardisierten Leistungswerten und Vergleichbarkeit.
In der Praxis treten viele Fragen auf: Wie datenschutzkonform ist die Nutzung der Kundendaten? Wie zuverlässig ist das Targeting? Und: Wer kontrolliert die Buchungslogik auf den Plattformen, die gleichzeitig Vermarkter und Betreiber sind?
Retail Media gilt als unabhängig von Third-Party-Cookies, was es im aktuellen Datenschutzumfeld attraktiv erscheinen lässt. Gleichzeitig fehlt es an übergreifenden Standards, interoperabler Technologie und transparenten Reportingstrukturen. Die starke Marktkonzentration bei wenigen großen Plattformen – allen voran Amazon – verstärkt diese Probleme.
Ob Retail Media eine eigene Mediengattung ist, bleibt offen. Zwar besitzt das Modell Merkmale eines eigenen Kanals – mit spezifischer Datenbasis, technischer Infrastruktur und Formaten. Gleichzeitig ist es funktional eng mit bestehenden Handels- und Verkaufsprozessen verknüpft, organisatorisch oft uneindeutig zugeordnet und konzeptionell noch nicht vollständig von anderen Mediaformen abgegrenzt. Der Begriff „Commerce Media“ wird zunehmend als übergeordneter Rahmen verwendet, um das Spektrum von Handels- und Plattformwerbung breiter zu fassen.
Fazit: Retail Media ist kein kurzfristiger Trend, sondern ein wachsender Markt – mit Potenzial, aber auch deutlichen Strukturdefiziten. Für Werbungtreibende bietet es neue Möglichkeiten, verlangt jedoch zugleich strategische Einordnung, technische Kompetenz und kritische Bewertung der Plattformbedingungen.
Den vollständigen Beitrag und viele andere finden Sie in der Ausgabe transfer 02/2025 .