Die Zukunft war auch schon mal besser

Buchkritik:

„A Brief History of the Future” von Oona Strathern – 

„Die Zukunft ist auch nicht mehr das, was sie mal war“ – diesem Seufzer von Karl Valentin möchte man zustimmen, wenn man sich „A Brief History of the Future“ von Oona Strathern durchliest. Die Journalistin und Trendberaterin hat ein sehr unterhaltsames Buch in englischer Sprache verfasst, in dem sie nachzeichnet, wie Intellektuelle und Literaten sich in den letzten 200 Jahren mit der Zukunft beschäftigt haben. Was bis zu den 70er Jahren als „Futurologie“, später dann als „Trendforschung“ bezeichnet wurde, erscheint uns heute als eine Selbstverständlichkeit, doch das war nicht immer so.


Lange Zeit blieb die Beschäftigung mit den Dingen, die da auf uns zukommen werden, eine Domäne von Science-Fiction-Autoren oder Moralisten. Strathern spannt den Bogen noch weiter: Angefangen beim Orakel von Delphi und den klassischen Utopien von Plato und Thomas Morus, beschreibt sie das Leben und Werk der Klassiker des Zukunftsromans: Jules Verne, H.G. Wells, Aldous Huxley, George Orwell – aber auch einige ihrer Zeitgenossen, die heute vergessen sind. Auch wenn manche Wissenschaftler und ihre Arbeit gewürdigt werden, etwa das Zyklen-Modell von Kondratieff oder die extrem einflussreichen Bevölkerungsberechnungen von Malthus, so ist doch das Vorgehen der Autorin eher vergleichbar mit der eines Literaturkritikers. Die eigentlichen Prognosen der behandelten Denker werden nur kurz gestreift, dafür werden sehr amüsante Anekdoten und die Wirkungsgeschichte ihrer Werke behandelt.

Wie unbarmherzig das öffentliche Gedächtnis ist, zeigt sich an den Stars des Genres, die vor einigen Jahrzehnten noch Millionenauflagen und Medienpräsenz genossen haben, deren Namen heute jedoch kaum noch einer kennt: Ossip Flechtheim, Herman Kahn, Robert Jungk oder Alvin Toffler. Selbst Science-Fiction-Klassiker wie Stanislav Lem und Issac Asimov sind heute weniger präsent als noch vor einigen Jahren und vielen nur noch als Stofflieferanten für Hollywood bekannt. Für ihre Sachbücher, die einst auch Bestseller waren, interessiert sich keiner mehr. Strathern beschreibt gut, welche Themen stets das Denken über die Zukunft bestimmt haben – etwa die Angst vor der Überbevölkerung oder der Atombombe – und wie Pessimismus und Optimismus einander abwechseln.

Es ist heute leicht, über die nicht eingetroffenen Vorhersagen kluger Köpfe von damals zu lachen. Manchmal ist man aber auch erstaunt, wie genau einige Entwicklungen vorhergesagt wurden – sei es das Mobiltelefon oder das Internet. Und einige Ideen sind immer noch frisch und relevant. Hier liefert die von der Autorin ausgebreitete Materialfülle die eine oder andere überraschende Erkenntnis.

Bei den aktuellen Trends der Trendforschung kommen einige Ansätze allerdings etwas zu kurz, während Matthias Horx eher überrepräsentiert ist (was wohl an der privaten und beruflichen Verbindung der Autorin zum deutschen Trendguru liegt). Wer über gute Englischkenntnisse verfügt und einmal über das Geschäft und die Kunst der Zukunftsprognosen nachdenken möchte, hat mit dieser „Kurzen Geschichte der Zukunft“ eine sehr anregende Lektüre vor sich.

Oona Strathern: ”A Brief History of the Future. How visionary thinkers changed the world and tomorrow’s trends are ‚made’ and marketed”, London 2007, Constable & Robinson, 322 Seiten, ca. 11,99 Euro, ISBN 978-1-84529-218-8