Forschung: Grundlage für alle Marketing-Entscheidungen

In den vergangenen Jahren haben die großen Werbe-Holdings Marktforschungs-Unternehmen gekauft und in ihre Konzern-Struktur eingegliedert. Ist die enge Verzahnung von Marktforschungs-Instituten und Media-Agenturen ein Vorteil im Kampf um die Etats der Werbungtreibenden? Die Journalistin Elke Jakob recherchierte im Auftrag der Marketing-Fachzeitschrift HORIZONT zu diesem Thema und befragte auch mich. Meine Einschätzung können Sie hier lesen:

Wie Sie bereits wissen, wird sich Aegis von ihrer Research-Tochter Synovate trennen und nur noch auf das Mediageschäft konzentrieren. Können die Mediaagenturen mit ihrem Targeting und den eigenen Forschungstools die Anforderungen ihrer Kunden selbst komplett bedienen?

Der Verkauf von Synovate kommt nicht überraschend, hat aber für das Mediageschäft keine wirkliche Bedeutung. Die Synergie-Effekte zwischen Mediaagenturen und Marktforschungsinstituten sehen auf dem Papier attraktiv aus, im Alltag sind die Berührungspunkte weniger deutlich. Agenturen müssen auf die Bedürfnisse ihrer Kunden eingehen und dafür auch Forschungsleistungen einkaufen – da ist es vernünftiger, den jeweils besten Partner im Markt zu finden, als auf Gedeih und Verderb an einen Anbieter im eigenen Konzern gebunden zu sein.

Wo sehen Sie die Trennlinie zwischen dem Research-Bereich der Mediaagenturen und den klassischen Marktforschern wie TNS, Ipsos oder Millward Brown?

Marktforscher bearbeiten ein viel weiteres Geschäftsfeld, das sich nur an wenigen Stellen mit denen der Agentur berührt. Mediaagenturen bieten Forschung zusätzlich an, um ihr eigentliches Produkt – nämlich wirksame und wirtschaftliche Kommunikation zu gewährleisten – zu unterstützen. Dabei kommt es auf Knowhow, eine enge Kundenbeziehung, ein gutes Problemverständnis und Kreativität an. Alles Stärken von Agenturen, da sie kompetente Leute in ihren Reihen haben. Die Agenturforscher sind deshalb bei Konzeption, Analyse und Interpretation gefragt, ihre Planer-Kollegen außerdem bei der Umsetzung der Erkenntnisse in konkrete Maßnahmen. Umfragen durchzuführen oder Daten zu erheben, das ist nicht ihre primäre Aufgabe – spezialisierte Dienstleister können das zweifellos besser. Richtig ist aber, dass die Agenturen heute mehr Daten griffbereit haben und gleichzeitig die Ressourcen zur Analyse weiter ausbauen.

Welche Relevanz haben die Informationen und Daten der klassischen Marktforscher für die Werbekunden?

Forschung ist die Grundlage für alle Entscheidungen im Marketing, denn nur wenn man weiß, was die Konsumenten wollen, kann ich ihnen das Richtige verkaufen. Das Methoden-Repertoire und die Menge und Qualität der Daten haben sich in den letzten Jahrzehnten deutlich vergrößert. Marketingplanung wird künftig noch stärker datengetrieben sein. Die Herausforderung ist, die vorhandenen Informationen schnell zu analysieren und die relevanten Erkenntnisse aus der Datenflut herauszufiltern. Früher wurden Informationen überwiegend aus repräsentativen Umfragen gewonnen. Diese Datenquelle ist auf künftig noch wichtig, aber nur eine unter vielen: Daten aus CRM-Datenbanken, Geomarketing-Systemen, Adserver-Reportings, Social Media Monitoring und GPS-Tracking sind hinzugekommen, ebenso wie qualitative und ethnografische Ansätze, experimentelle Forschung oder neurowissenschaftliche Methoden. Die Marktforschungsinstitute liefern heute weit mehr als nur Fragebögen oder Handelspanel-Daten.

In welchen Bereichen brauchen Mediaagenturen die Ergebnisse der Marktforscher?

Alle Mediadaten, mit denen Planer arbeiten, kommen aus der Forschung. Die Einschaltquoten fallen ja auch nicht vom Himmel. Daneben gibt es Zielgruppenanalysen, Wirkungsstudien und Werbeerfolgskontrollen – hier arbeiten Mediaagenturen mit Instituten eng zusammenarbeiten.

Passen Medianetworks und klassische Marktforscher noch unter ein Holding-Dach oder ist das ein Auslaufmodell?

Das hängt von der Konzernstrategie ab, wie die diversifiziert das Portfolio eines Konzern ist und womit das Geld verdient werden soll. Synergie-Effekte zwischen Marktforschungsinstituten und Mediaagenturen werden in der Praxis erfahrungsgemäß kaum ausgenutzt. Im Übrigen sind Allianzen auch möglich, ohne dass die beiden Partner Teil der gleichen Holding sein müssen.

Wie wird sich der Research-Markt Ihrer Ansicht nach in Zukunft entwickeln und wer wird den Lead haben – die Medianetworks, Firmen wie Xaxis oder Unternehmen wie TNS et al.?

Medianetworks dürften wohl kaum ein Interesse daran haben, den Lead im Research-Markt zu übernehmen. Die Frage ist vielmehr: Wer wird den Lead im Mediamarkt übernehmen? Und das werden diejenigen sein, die am besten mit Daten umgehen können, sie am schnellsten analysieren, am schlausten interpretieren und am effizientesten in Kommunikationsmaßnahmen umsetzen können. Dafür sind die Mediaagenturen gut gerüstet, solange sie in ihre eigenen Research-Kapazitäten investieren. Wie stark andere Partner dabei eingebunden werden, hängt von inhaltlichen Aspekten ab. Wie die Eigentumsverhältnisse geregelt sind, ist eine völlig nachgeordnete Frage.

Fragen: Elke Jacob, Redakteurin, HORIZONT

Antworten: Dirk Engel, Head of Research, UM – Universal McCann