Haben Werber eine Moral?

Ein neues Buch beschäftigt sich mit einem Thema, was auf den ersten Blick paradox erscheint: „Die Moral der Unternehmenskommunikation„.

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Denn auf den ersten Blick haben Werbung und PR wenig mit Moral zu tun. Doch je kritischer der Konsument wird, desto mehr interessiert er sich auch für die Ethik der Unternehmen, dessen Produkte er kaufen soll.


Gerade in der Krise ist das Vertrauen zu Banken und anderen Firmen beschädigt. Auf der anderen Seite gibt es seit einigen Jahren den Trend des „Cause Related Marketing“ – also den Einsatz von sozialer und ökologischer Verantwortung für Marketing-Zwecken.

In eine ähnliche Richtung geht der Begriff „Corporate Social Responsibility“ – Unternehmen sollen der Gesellschaft etwas zurück geben als Gegenleistung für gute Geschäfte – gemäß des alten Wahlspruchs von PR-Guru Edward Bernays „Tue Gutes und rede darüber“. Lohnt es sich nun für ein Unternehmen, gut zu sein? Helfen wir wirklich den Regenwald, wenn wir Krombacher Bier trinken? Hilft es Krombacher, sich für den Regenwald zu engagieren?

Der Sammelband „Die Moral der Unternehmenskommunikation: Lohnt es sich, gut zu sein?“ versammelt 26 Aufsätze von Wissenschaftlern und Kommunikationspraktikern, die sich mit den verschiedensten Facetten des schwierigen Verhältnisses von Kommunikation und Moral beschäftigen. Beeindruckend ist die Bandbreite der Beiträge – Experten aus Marketing, Management, PR, Kommunikations- und Wirtschaftswissenschaft, Sponsoring und Werbung liefern Forschungsergebnisse, Begriffsdefinitionen, Bestandsaufnahmen und pointierte Meinungen.

Ein heikles Thema ist die Moral der Kommunikationsdienstleister – also den Menschen, die in Agenturen arbeiten. Gerade Werber stellen sich meist nicht einer ethischen Diskussion. Dabei hat ihre Arbeit vielfältige Auswirkungen für die verschiedensten Anspruchsgruppen – Auftraggeber, Mitarbeiter, Medien und nicht zuletzt den Konsumenten.

Zu diesem Thema hat mich der Herausgeber Jörg Tropp, Professor an der FH Pforzheim und Werbeexperte, um einen Beitrag gebeten. Dessen Inhalt haben die Herausgeber in ihrer Einleitung wie folgt zusammengefasst:

„Zunächst setzt sich DIRK ENGEL als anwendungsorientierter Forscher in einer großen Mediaagentur mit der Frage nach der Moral der Kommunikationsdienstleister auseinander. Ausgehend von einer Skizzierung der Werbung, die zwischen Allmacht und Wirkungslosigkeit pendelt, zeit er multiperspektivisch die vorprogrammierten Konflikte unter den Handelnden im Werbesystem auf. Resultat dieser Konflikte sind persönliche Sinnfragen, für deren Beantwortung die Werber sich unterschiedlicher Strategien bedienen – vor allem auch der der moralischen Rechtfertigung. Letztlich, so Engel, liefert die bedingungslose Orientierung am Konsumenten den Rahmen für ein moralisch gutes Handeln im Werbesystem und damit die Chance, das in der Öffentlichkeit ausgeprägte ambivalente Berufsbild des Werbers zu korrigieren.“

Schöner hätte ich das nie selbst schreiben können… 😉

Das Buch ist im Herbert von Halem Verlag erschienen und enthält neben meinem wenig wissenschaftlichen Essay auch fundierte und lesenswerte Beiträge von ausgewiesenen und von mir sehr geschätzten Experten wie Manfred Bruhn, Gabriele Siegert und natürlich von den Herausgebern Schmidt und Tropp.

Wenn Sie den Artikel im Original lesen möchten, finden Sie ihn hier: Jenseit_des_blinden_Flecks_Engel_Moral_der_Unternehmenskommunikation

UPDATE 2021:

Was ich in meinem Beitrag damals als Möglichkeit beschrieb, ist heute Wirklichkeit. Der Konsument achtet mittlerweile aus Purpose, Haltung, Fairness, Nachhaltigkeit und andere ökoethische Aspekte. Das Marketing muss diese Erwartungen ernst nehmen und tut es zunehmend. Plötzlich überbieten sich die Kommunikationsdienstleister in ihren moralischen Aktivitäten. Sicherlich aus Überzeugung, das möchte ich niemanden absprechen. Aber das sie damit Erfolg haben – in ihrem Umfeld, in der Öffentlichkeit, bei ihren Auftraggebern und Geschäftspartnern – liegt an dem veränderten Kaufverhalten. Um es überspitzt zu sagen: Die Rettung der Welt erfordert keine Abschaffung des Marketings, sondern Marketing fördert sie.