Für was steht eigentlich das P in PR wirklich?

Buchkritik:
„Propaganda. Die Kunst der Public Relations“ von Edward Bernays

Selten gibt es ein Buch, das gleich mit einem derartigen Paukenschlag beginnt, der einen geradezu umhaut. Deshalb sei es erlaubt, hier den Anfang des rezensierten Buches zu zitieren:

„Die bewusste und zielgerichtete Manipulation der Verhaltensweisen und Einstellungen der Massen ist ein wesentlicher Bestandteil demokratischer Gesellschaften. Organisationen, die im Verborgenen arbeiten, lenken die gesellschaftlichen Abläufe. Sie sind die eigentlichen Regierungen in unserem Land. Wir werden von Personen regiert, deren Namen wir noch nie gehört haben. Sie beeinflussen unsere Meinungen, unseren Geschmack, unsere Gedanken. Doch das ist nicht überraschend, dieser Zustand ist nur eine logische Folge der Struktur unserer Demokratie: Wenn viele Menschen möglichst reibungslos in einer Gesellschaft zusammenleben sollen, sind Steuerungsprozesse dieser Art unumgänglich.“


Diese Sätze sind nicht dem aktuellen Traktat einer Globalisierungsgegnerin entnommen; es sind nicht die Worte eines modernen Medienkritikers oder eines Analysten des heutigen politischen Systems; mit diesen Ausführungen beginnt das Buch „Propaganda“, das bereits 1928 in den USA veröffentlicht wurde. Sein Autor ist eine heute legendäre Figur in der Geschichte der Public Relations. Es war Edward Bernays, der als erster PR als professionelle Dienstleistung für Unternehmen und Organisationen angeboten hat. Auf seiner Arbeit basiert noch heute ein Großteil dessen, was wir über Public Relations-Management wissen.

In den vergangenen 80 Jahren sind unzählige Bücher zum Thema PR erschienen. Oft kleiden die Autoren ihre etwas anrüchig wirkende Profession dabei in weichgespülte Worthülsen oder abstrakte Struktur- und Prozessdiagramme. Was Bernays’ Buch noch heute lesbar und interessant macht, ist seine Offenheit. Er sagt wie es ist, ohne sich beschönender oder tarnender Vokabeln zu bedienen. Dabei stellt er die Arbeit von Public Relations-Experten nicht in Frage – im Gegenteil: Für Bernays ist PR eine Notwendigkeit, um Zustimmung in der Öffentlichkeit für bestimmte Entscheidungen und Ideen zu bekommen. Kritiker mögen das anders sehen, doch macht Bernays (übrigens ein Neffe von Sigmund Freud) wenigstens seine Position klar. Und erzählt nebenbei, was gute PR ausmacht, angereichert mit einer Vielzahl von Anekdoten aus seiner beruflichen Laufbahn, die auch heute noch spannend zu lesen sind.

Management-Literatur wirkt oft schon wenige Jahre nach ihrem Erscheinen veraltet. Auf den Bestseller-Listen tauchen immer nur die Titel auf, die etwas Neues anpreisen. Und ein PR-Buch mit dem Titel „Propaganda“ wirkt heute politisch extrem unkorrekt, auch wenn der Begriff zu Beginn des Jahrhunderts noch weitgehend neutral verwendet wurde. Wenn aber ein PR-Buch den Rang eines „Klassikers“ und damit auch viele Leser verdient, dann ist dieses.

Edward Bernays: „Propaganda. Die Kunst der Public Relations“, orange-press, Freiburg 2007, 160 Seiten, 16,90 EUR, ISBN 978-3-936086-35-5

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