Nach der Krise ist vor der Krise

Buchkritik:

„Professionelle Krisenkommunikation“ von Meißner & Schach –

Die Corona-Krise konfrontiert uns alle mit neuen Herausforderungen. Wie muss ein Unternehmen in diesen Zeiten kommunizieren? Das Internet ist voll mit plakativen Ratschlägen, doch wo bekommt man einen umfassenderen Blick auf die Handlungsmöglichkeiten? Einige von uns werden in den vergangenen Tagen entsprechende Suchworte bei Google & Co. eingetippt haben, auf der Suche nach hilfreichen Büchern. Eines davon trägt den vielversprechenden Titel „Professionelle Krisenkommunikation“. Die Herausgeber haben 20 Beiträge gesammelt, die tatsächlich einige Tipps geben können. Einige Bemerkungen zum aktuellen Kontext seien aber vorangestellt.

Das Buch wurde nicht für die derzeitige Situation geschrieben. Vor Corona waren Krisen die Probleme einzelner Unternehmen, vielleicht einzelner Branchen. Heute ist die ganze Gesellschaft in einer Ausnahmesituation, welche die Wirtschaft in ihrer Gesamtheit betrifft. Doch jeder Manager muss für sein Unternehmen eine Kommunikationsstrategie finden, weshalb die Artikel des Buches tatsächlich die im Untertitel versprochenen Hilfestellungen liefern können. Leser, die Orientierung für die Marketing-Kommunikation suchen, finden in dem Band nur indirekte Unterstützung – es geht um PR und Medienarbeit, nicht um Werbung oder Kundenkommunikation. Das kann man natürlich den Herausgebern und Autoren nicht vorwerfen, vielmehr müssen die Leserinnen und Leser versuchen, aus den dargestellten Konzepten und Beispielen genug Pollen zu sammeln, um daraus den eigenen Honig zu machen. Informativ ist das Buch allemal.

Im ersten Teil wird die Unternehmenskommunikation in den Gesamtzusammenhang des Risikomanagements verortet. Wer sich bis heute nicht mit dem Umgang mit unternehmerischen Risiken beschäftigt hat, für den sind diese, in einem typischen Berater-Jargon gehaltenen Ausführungen eher eine Mahnung für die Zukunft. Der zweite Teil ist konkreter: Hier geht es um spezifische Gefahrenpotenziale, zum Beispiel Fake News und Shitstorms. In einer allgemeinen Ratlosigkeit, wo die Nerven aller blank liegen, steigt sicherlich das Risiko solcher Phänomene. Auch werden bestimmte Aspekte behandelt, die jetzt relevant sind. Ein Beispiel: In dem Artikel von Bettina Kappe wird deutlich, wie wichtig das „Gesicht der Krise“ ist – eine Persönlichkeit, die in der Öffentlichkeit für die Problem-Bewältigung einsteht und Vertrauen schafft.

Schaut man auf die akute Politik, findet man die Gesichter nicht in Regierung oder Parteien, sondern bei den Virologen. Firmen und Marken müssen aufpassen, dass ihre Protagonisten dabei präsent bleiben. Ein anderer Beitrag verweist darauf, wie wichtig es ist, bereits vor einer Notlage Akzeptanz zu schaffen – ein wichtiger Auftrag für die Nach-Corona-Zeit. Denn nach der Krise ist vor der Krise. Denn die Rezession kommt noch und Konsumenten und andere Anspruchsgruppen werden sehr genau darauf achten, wie Unternehmen und Marken mit ihr umgehen. Spannend sind die Ausführungen von Annika Schach zur Macht der Sprache – man denke nur an den Versuch von US-Präsident Trump, Corona das Label „Wuhan Virus“ anzuhaften, um die Situation politisch auszuschlachten.

Andere Beiträge des Buches (z.B. der Einsatz von Medienanwälten oder Gefahren des Datenschutzes) sind ebenfalls informativ, auch wenn der aktuelle Bezug weniger relevant ist. Das Buch zeigt viele Beispiele und liefert explizite Handlungsempfehlungen, die helfen, sie für die derzeitige und die kommenden Krisen zu rüsten.

Jana Meißner / Annika Schach (Hrsg.): Professionelle Krisenkommunikation: Basiswissen, Impulse und Handlungsempfehlungen für die Praxis; Springer Gabler, Wiesbaden 2019; 276 Seiten, 34,99 €, ISBN 978-3-658-25428-5