Weder Container noch Content

Die Branche diskutiert die Rolle der Mediaagenturen und zeigt, dass die Arbeitsteilung zwischen Agenturen der konvergenten Realität nicht mehr entspricht. Wer künftig erfolgreich sein will, darf sich weder auf Container noch Content konzentrieren, sondern muss den Consumer im Blick haben. Dazu habe ich eine Kolumne für Springer Professional geschrieben.

Wir werden Zeuge einer richtigen Fach-Debatte: Angeregt hat sie Agentur-Chef Thomas Strerath, als er die Rolle der Mediaagenturen kritisierte. Kunden seien unzufrieden, die strategische Beratung unzureichend, Einkaufsvorteile würden im Vordergrund stehen. Das Geschäftsmodell der Mediaagenturen sei nicht mehr zeitgemäß, sie seien mehr oder minder überflüssig. Verschiedenste Akteure meldeten sich zu Wort. Wer die besseren Argumente hat, sollte jeder selbst prüfen. Ich möchte nicht auf Details eingehen. Die ganze Debatte ist aber ein interessantes Symptom.

Die alten „Mad Men“-Zeiten sind für Agenturen vorbei

Denn eins wird deutlich: Die Agenturszene hinkt der gesellschaftlichen Entwicklung hinterher. Die Grenzen im Leben der Menschen werden flüssiger: Zwischen Mediennutzung und Alltagsaktivitäten, zwischen realer und digitaler Welt, zwischen Medienproduzenten und Konsumenten. Das Internet, die sozialen Medien, das Smartphone – sie lassen sich schwer in alte Kategorien der Massenmedien-Ära einordnen. Der Rezipient hat damit kaum Probleme – im Großen und Ganzen genießt er das Mehr an Flexibilität. Es sind eher die Marketing-Leute, die sich schwer tun.

Während in der guten, alten „Mad Men“-Zeit eine Agentur für alle Belange der Markenkommunikation zuständig war, differenzierte sich die Agenturlandschaft seit den 70er Jahren immer mehr aus: Spezialagenturen konzentrierten sich auf abgegrenzte Bereiche – wie etwa PR, Verkaufsförderung, Dialogmarketing, Media. Gespiegelt wird das durch Fachabteilungen auf Kunden-Seite, die nicht selten ein Eigenleben führen und oft eher gegen- als miteinander arbeiten.

Das Ende der Arbeitsteilung?

Die Digitalisierung stellt diese Arbeitsteilung in Frage. Welche Abteilung oder Agentur ist für eine Social-Media-Strategie zuständig? Alle? Niemand? Braucht man neue Agenturen? Die Vertreter der Full-Service-Agenturen haben recht: Mediaagenturen passen nicht mehr in diese konvergente Welt. Aber das gleiche gilt auch für sie selbst – und jede andere Spezialagentur. Wie muss nun die Agentur der Zukunft aussehen? Was muss sie können, damit sie auch in einigen Jahren noch einen Mehrwert für ihre Kunden schafft?

Das wichtigste C ist der Consumer

Die Diskussion, ob der Container (also die Medien) oder der Content (also die Botschaften) wichtiger sei, ist verfehlt. Die Zukunfts-Agentur muss das dritte C im Fokus haben: den Consumer. Nur wer die Motivationen, Interessen und Gewohnheiten der Menschen versteht, kann relevanten Content entwickeln und die richtigen Container finden. Die Kernkompetenz einer Agentur sollte es sein, den Konsumenten besser zu durchschauen als er sich selbst – und dadurch den Auftraggebern neue Hebel für ihr Marketing zu liefern. Ob das in einer Media- oder Full-Service-Agentur geschieht, ist zweitrangig.

Die erfolgreichen Agenturen werden sich durch ein tiefes Verständnis der Konsumenten auszeichnen. Sie müssen alle Methoden beherrschen – von automatisierten Algorithmen bis zum qualitativen Einfühlen in die Seele der Verbraucher. Mediaagenturen habe da keine schlechte Ausgangsposition – ihre Forschungskompetenz wird von den meisten Gegnern nicht angezweifelt. Das ist die Stärke, die sie ausspielen müssen – und wo viele Full-Service-Agenturen erst einmal aufholen müssen.

Veröffentlicht auf springerprofessional.de am 19. März 2015