Mit Empathie und Eleganz

Buchkritik:

„Wie Zahlenmenschen ticken“ von Angelika Leder –  

Was ist ein Zahlenmensch? Dasselbe wie ein Erbsenzähler? Nicht wirklich. Als Zahlenmenschen beschreibt die Beraterin Angelika Leder eine ganz bestimmte Art von Managern: Sie haben überdurchschnittliche analytische Fähigkeiten, sind Schnelldenker, ziel- und erfolgsorientiert, und dabei unabhängig vom Urteil anderer – also hervorragend geeignet für gehobene Management-Aufgaben.

Allerdings haben sie oft auch Schwächen: Sie interessieren sich zu wenig für Beziehungen, neigen zum ständigen Kritisieren, loben wenig, verstehen die Emotionen anderer oft nicht und ecken deshalb früher oder später bei ihren Kollegen, Vorgesetzten und Geschäftspartnern an. Erfolg und Scheitern liegen da eng beieinander. Gestern noch der gefeierte Stratege oder der effiziente Sanierer, doch dann stolpert der Zahlenmensch über sein mangelndes Verständnis für die politischen Strukturen im Unternehmen oder die persönlichen Befindlichkeiten der Kollegen.

Dazu werden sie in der Öffentlichkeit als unsensibel kritisiert und merken, dass sie aus den eigenen Reihen trotz aller Erfolge wenig Rückhalt bekommen. Keine Frage, auch im Marketing und Media-Geschäft findet man solche Zahlenmenschen. Angelika Leder hat als Coach viele solcher Top-Leute beraten und hat darüber nun ein sehr aufschlussreiches Buch geschrieben: Wie Zahlenmenschen ticken“. Es sucht seine Leserschaft in der Zielgruppe, die im Titel angesprochen wird – doch davon unabhängig ist die Lektüre für alle relevant, ob sie sich nun selbst für einen Zahlenmenschen halten oder mit solchen zusammenarbeiten müssen.

Zahlenmenschen sind keine Autisten oder Roboter, doch häufig haben sie ein Problem, die Gefühle, Befürchtungen und Wünsche ihres Gegenübers einzuschätzen. Oft überfordern sie ihr Umfeld, da sie von anderen die gleiche Schnelligkeit im Denken und Ergebnisorientierung erwarten wie von sich selbst. Die Autorin erkennt aber nicht nur die Defizite dieser Spezies von Managern, sondern auch ihre Stärken: Sie sieht nicht nur schwarz und weiß (obwohl sie das Kapitel über die Stärken mit „Weiß“ und das über die Schwächen mit „Schwarz“ betitelt hat).

Aber sie liefert auch ein drittes Kapitel mit der Überschrift „Bunt“. Darin zeigt sie, welche Eigenschaften erfolgreiche zahlenorientierte Manager sich aneignen sollten, um langfristig erfolgreich und kooperativ zu bleiben. Wichtig ist der Autorin dabei die Empathie – wobei sie damit keine Gefühlsduselei meint, sondern ein professionelles Arbeiten, bei dem man die Perspektive der anderen verstehen lernt. Angelika Leder nennt das die kognitive Empathie“.

Eine andere Eigenschaft beschreibt sie als „Eleganz“ – ein sicheres Umgehen mit anderen Menschen ohne Arroganz oder Anstrengung. Stattdessen müssen die Zahlenmenschen eine Leichtigkeit entwickeln, die laut der Autorin durch Reduktion, Konzentration und Reflexion erreicht wird. Elegant ist auch das Buch, das Angelika Leder geschrieben hat: Kein übertriebener Psycho-Jargon, kein Anprangern von falschen Verhaltensweisen und kein Ausrufen von Revolutionen und Paradigmenwechseln, mit denen die Ratgeber-Literatur ansonsten überquillt.

In kurzen, knappen erzählerischen Skizzen beschreibt sie Alltagssituationen von Managern mit viel Empathie und aus verschiedenen Sichtweisen. Das Buch „Wie Zahlenmenschen ticken“ hilft dadurch jedem, über seinen eigenen Management-Stil nachzudenken und ihn damit zu verbessern.

Angelika Leder: Wie Zahlenmenschen ticken – Stärken, Grenzen, Potenziale; Carl Hanser Verlag, München 2012,  238 Seiten, 18,50 €, ISBN 978-3-446-42423-4