Ein Einblick in die Koch-Methode

Buchkritik:

„Die Zielgruppe sind auch nur Menschen“ von Thomas Koch –

Bevor ich ein Memoiren-Buch rezensiere, muss ich einiges klarstellen: Kritisiert wird nicht das Leben des Autors – das steht jemanden Außenstehenden nicht zu. Es kann auch nicht geprüft werden, ob die Autobiografie mit der Wirklichkeit übereinstimmt – ob jemand zuverlässig über sich berichtet, beschönigt oder gar lügt, können nur die beurteilen, die dabei waren. Alles, was ich liefern kann, ist die Bewertung des Lektüre-Erlebnisses: Ist das Buch interessant, gut geschrieben, erhellend, lehrreich? Doch zugegeben, man kann über „Die Zielgruppe sind auch nur Menschen“ nicht schreiben, ohne etwas zum Phänomen Thomas Koch zu sagen.

Als Mediaplaner und Agenturinhaber hat er die Branche mitgeprägt, in erster Linie durch seine publizistischen Drang: Wenn in der Presse oder sogar im Fernsehen jemand eine Meinung zur Werbe- und Media-Szene brauchte, war Koch zur Stelle. Das hat ihn viel Kritik, oft Neid, aber immer Aufmerksamkeit eingebracht. Diese Nebentätigkeit war immer auch eine Methode, PR in eigener Sache zu machen. Mittlerweile ist daraus sein Hauptberuf geworden: In Kommentaren und Kolumnen liefert Koch so regelmäßig und wortgewaltig wie kein anderer seine Meinung. Wer so etwas von seinem neuen Buch erwartet, wird etwas enttäuscht sein: Nur gelegentlich kritisiert oder kommentiert er Media-Themen. Auch andere Erwartungen erfüllt das Buch nicht: Es wird nicht mit den Freund und Feind abgerechnet, keine intimen Details aus dem Leben der anderen ausgeplaudert und auch nicht auf ehemalige Weggefährten geschimpft – alles die Ingredienzien, die normalerweise Promi-Memoiren zu Medienereignissen machen.

Koch orientiert sich eher an David Ogilvy, der seine Lebensbeschreibungen auch immer dazu nutze, seine Erkenntnisse wie in einem Lehrbuch an die Branche weiterzugeben. So endet jedes der 42 Kapitel immer mit einem kurzen Ratschlag an die Leser – im Sinne von „Die Moral von der Geschichte“. Diese Tipps erscheinen eher allgemein, haben nur selten einen konkreten Bezug zur Werbebranche, sind leicht konsumierbar und beinhalten viel Common Sense. Eine Systematik und das fachliche Spektrum eines Ogilvy hat Koch dann aber doch nicht zu bieten. Seine  Anekdoten sind durch die Kapitel-Struktur eine leichte Lesekost: Nur vier oder fünf Seiten lang, thematisch geordnet, ohne Ab- und Weitschweifungen (die ja bekanntlich die Laster der meisten Memoirenschreiber sind).

Seine Episoden sind allerdings – entgegen dem Versprechen des Untertitels „…aus meinem wilden Leben als Werber“ – nicht wirklich wild. Branchenfremde werden in dem Buch wenig finden, was der Lektüre lohnt: Zu alltäglich sind die Anekdoten, zu fachspezifisch die Punkte, über die sich der Autor aufregt oder auf die er stolz ist. Leute aus der Mediabranche können über die eine oder andere Episode vielleicht nachdenken, schmunzeln, den Kopf schütteln oder sich ärgern. Letzteres haben auch schon andere Rezensenten getan, gegen die ich Koch gerne in einem Aspekt in Schutz nehme: Ihm eine übertriebene Eitelkeit vorzuwerfen, ist völlig verfehlt. Das Buch ist nicht nur ein Dokument seiner Eitelkeit, sondern auch eine Verteidigung dieser – siehe Episode 32: „Seien Sie ruhig eitel!“.

Den Fehler, sich mit falscher Bescheidenheit zu tarnen, macht Koch nicht. Doch wer genau liest, merkt auch, dass er über seine Eitelkeit durchaus reflektiert: Als Agenturinhaber ist das Herausstellen der Person auch eine Markenstrategie, schließlich ist der Chef die halbe Miete, wenn nicht noch mehr. Visitenkarten zu signieren ist dann keine Egomanie, sondern eine konsequente Markenführung – genau wie die Wahl des eigenen Namens oder der Barttracht. Und darüber lernt man auch etwas, wenn man das Buch liest. Zugegeben, das Buch hätte es nicht unbedingt gebraucht – aber da es da ist, sollte man schon mal hineinschauen.

Thomas Koch: Die Zielgruppe sind auch nur Menschen – 42 Episoden aus meinem wilden Leben als Werber; Econ Verlag, Berlin 2014, 190 Seiten, 19,90 €, ISBN 978-3-430-20169-8