Standardsituationen der Werbekritik

Buchkritik:

„Werbung -Nein Danke“ von Christian Kreiß –

Der Werbebranche weht ein stärker werdender Wind entgegen: Verbraucherschützer und Politiker in Berlin und Brüssel bemühen sich um Werbeverbote, in der öffentlichen Meinung ist ihr Ansehen schlecht. Jeder, der beruflich mit Werbung zu tun hat, muss sich damit auseinandersetzen – und wenn es nur darum geht, seinen Beruf im eigenen privaten Umfeld zu rechtfertigen. Eine Sammlung von werbekritischen Argumenten hat der Autor und Hochschulprofessor Christian Kreiß zusammengefasst und als Buch veröffentlicht: „Werbung – Nein Danke – Warum wir ohne Werbung viel besser leben könnten.“

Es ist kein eiferndes Traktat, sondern versucht in moderater Sprache die Punkte für und gegen die Werbung zu prüfen, gespeist durch eine einigermaßen breite Quellenliteratur. Dadurch ist sein Buch durchaus lesenswert, wenn man die gängige Werbekritik verstehen will. Er kommt – wie man dem Titel bereits entnehmen kann – zu einem vernichtenden Urteil über die Werbung: Sie informiert nicht über Produkte und Unternehmen (was ihre einzige positive Funktion wäre), sondern führt in die Irre. Da sie Emotionen und unsinnige Wiederholungen statt Information, führe zu ungesunden Verhaltensweisen (etwa den falschen Gebrauch von rezeptfreien Medikamenten), verteuert die Produkte und fördere eine Gesinnung, die auf Haben und nicht auf Sein ausgerichtet sei.

Um seine Schlussfolgerungen zu belegen zählt der Autor eine Vielzahl von „Worst Practice“ auf – Fälle, in denen Unternehmen Einfluss auf journalistische Berichterstattung nahm oder die eigenen Selbstbeschränkungen nicht eingehalten haben. Wie schlüssig sind nun diese Argumente? Mich haben Sie nicht überzeugt – was nicht verwunderlich ist, beurteile ich sie aus der Perspektive eines Menschen, der mit Werbung Geld verdient. Doch wer genau hinschaut, findet einige Schwachstellen in der Argumentation. Zum Beispiel beruft sich Kreiß öfter auf die Volkswirtschaftslehre, doch zitiert er hier lediglich vier Klassiker aus dem letzten Jahrhundert, die der Werbung mehr oder weniger kritisch gegenüberstanden. Aktuelle Theorien oder empirische Untersuchungen zitiert er hier nicht, obwohl es auch in den Wirtschaftswissenschaften durchaus differenziertere Beurteilungen der Werbung gibt.

Ist eine Branche, die nach Kreiß‘ Rechnung zwei Prozent der Erwerbstätigen beschäftigt wirklich unproduktiv? Manchmal sind seine Interpretationen tendenziös: Sicherlich gibt es tadelnswerte Einflussnahmen von Unternehmen auf Journalisten, doch wird die Tatsache, dass die Werbung einen großen Teil des Mediensystems finanziert – inklusive des investigativen und kritischen Journalismus – eher heruntergespielt.

Dadurch, dass der Autor verschiedene Aspekte des Themas behandelt, verstrickt er sich manchmal in Widersprüche. So wirft er der Werbung zum einen vor, dass sie statt zu informieren nur emotionalisiere. An anderer Stelle rügt er, dass sie unkreativ und nicht witzig sei. Das erinnert an den alten Witz, des Restaurantbesuchers, der gleichzeitig reklamiert, dass das Essen ungenießbar und die Portion zu klein sei.

Richtig analysiert wird die prinzipielle Einseitigkeit von Werbung – sie stellt immer nur die positiven Aspekte eines Produktes heraus. Doch täuscht sie hier niemand – diese Einseitigkeit ist jedem Werbekonsumenten bewusst und sie wird bei der Bewertung von Werbung mehr oder minder stark berücksichtigt. Einer grundlegenden Diskussion geht der Autor übrigens aus dem Weg: Sind die Bedürfnisse von Konsumenten nach ungesunden Süßigkeiten, Alkohol und Zigaretten legitim oder „falsch“?

Hier geht es um Psychologie auf der einen Seite und Freiheit auf der anderen. Haben wir als Verbraucher nicht das Recht zur Wahl? Sind Bedürfnisse nach Prestige, Status oder einem guten Gefühl per se schlecht? Die Behauptung des Buchuntertitels, dass wir ohne Werbung viel besser leben könnten, müsste als Frage umformuliert werden: Würden wir ohne die beworbenen Produkte ein besseres Leben haben? Vielleicht, aber sicherlich wäre es langweiliger.

Christian Kreiß: Werbung -Nein Danke. Warum wir ohne Werbung viel besser leben könnten; Europa Verlag, München 2016, 340 Seiten, 24,90 €, ISBN 978-3-95890-059-2