Welche Rolle haben Marktforscher heute?

Im Marketing gibt es heute mehr Informationen als jemals zuvor. Viele haben direkten Zugriff darauf, was ist dann die Aufgabe der betrieblichen Marktforscher? Insights-Professionals aus internationalen Firmen berichteten beim Data Analytics & Insights Salon DAIS, was sie in ihren Unternehmen leisten: Verständnis fördern, Geschichten erzählen, Zusammenarbeit ermöglichen. Datenmanagement ist schon lange nicht mehr ihre zentrale Bestimmung. Für das Online-Portal von Planung & Analyse , der führenden deutschen Fachzeitschrift zum Thema Marktforschung, habe ich einen kurzen Bericht über die Diskussionsrunde geschrieben, den Sie hier lesen können:

Schwimmen in der Datenflut

Immer mehr Daten, die immer schneller und leichter für alle in einer Firma zugänglich sind. Was bedeutet das für die betrieblichen Marktforscher und die internen Insights-Professionals. Machtverlust oder Bedeutungsgewinn? Die Diskussionsrunde wurde von Prof. Dr. Dirk Frank (ISM Global Dynamics) und Christoph Welter (Point Blank) geleitet. Eingeladen waren drei ausgewiesene internationale Expertinnen, die offen über ihre Erfahrungen berichteten.

Michelle Gansle ist bei Mars Wrigley verantwortlich für Insights, Prognosen und Innovation. Sie verglich ihr Geschäft mit dem TV-Markt. Früher gab es nur wenige lineare Sender, heute existiert eine Fülle von Streaming-Diensten, die rund um die Uhr und überall Programm liefern. Bei Marktforschung und Insights ist es genauso: Unterschiedliche Datenströme laufen ständig ein, jeder im Unternehmen könne selbst darauf zugreifen. Trotzdem hätten Insights-Professionals eine geheime Superkraft: Zuhören und Verstehen. Es seien nicht die Marktforscher, denen die Daten gehören. Ihre Aufgabe liege darin, die gemeinschaftliche Nutzung der einlaufenden Informationen zu fördern.

„Marketeers ertrinken in Daten,“ stellte Christine Möller fest. Sie ist Head of Customer Insights bei eBay. Ihr Arbeitgeber sei reich an Daten und war schon immer digitalisiert – was ein Vorteil gegenüber traditionelleren Branchen sei. Sie erläuterte ihr Vorgehen, in dieser Informationsflut zu schwimmen: Der erste Schritt sei die Frage: Was wissen wir bereits? Bei den offenen Fragen muss dann geklärt werden: Brauchen wir eigene Forschung? Welche Datenpunkte fehlen? Trotzdem sei Datenbeschaffung nicht die vordringlichste Aufgabe der Marktforscher, sondern die Daten zu „vermenschlichen“, also ein lebendiges Bild der Kunden zu zeichnen. Und im Gegensatz zu IT-Leuten und Data Analysts seien die Forscher die besseren Geschichtenerzähler. Storytelling sei essenziell, denn das Management benötige ansprechende Storys mehr als schnelle Datenströme.

Anderen Problemen muss Susanne Wehde, bei ihrem Unternehmen tesa ins Auge blicken. Das eher traditionelle Unternehmen musste sich in den vergangenen Jahren digitalisieren, was neue Quellen für Beobachtunsdaten erschloss. Dies sei allerdings kein so starker Wandel, denn das Category Management waren früher bereits sehr datengetrieben, damals lieferten die Handels- und Haushalts-Panels der großen Marktforschungskonzerne die Zahlen. Deshalb sieht sie heute ihre Aufgabe darin, alle im Unternehmen in die richtige Stimmung für die Zusammenarbeit und das Teilen der Befunde zu bringen. Denn die wahren Insights, die das Geschäft antreiben, können nur gemeinsam entwickelt werden. Dem steht mitunter die Geisteshaltung des Top-Managements im Wege. „Es gibt einen Wechsel von einem insight-driven zu einem data-driven Management.“ Die interpretativen Fähigkeiten der Forscher dürften aber nicht zu kurz kommen, mahnt Wehde. „Wir müssen unseren Anspruch innerhalb unserer Unternehmen vertreten“, so die Marktforscherin. Manchmal sehe sie sich hier wie eine Predigerin, die andere davon überzeugen muss, dass ihre Erklärungen dem Unternehmen monetäre Vorteile bringen.

Christine Möller sah die Situation ähnlich. Die Sprache der Wirtschaft sei Geld. Insights-Professionals müssen ihre Ideen dem Management entsprechend verständlich machen. Michelle Gansle nannte noch ein anderes Hindernis aus dem Alltag, der eine abteilungsübergreifende Entwicklung von Insights manchmal verhindere: Es sei natürlich ärgerlich, wenn jemand die gemeinsame Idee als eine eigene Leistung der Chefetage verkaufe. Deshalb sei eine Kultur des Kollaborativen so bedeutsam.

Ein Problem, dass alle Diskutantinnen gleich einschätzen, betrifft die notwendigen Fähigkeiten der Insights-Professionals. Gansle berichtete, sie stelle lieber Journalisten oder Werbestrategen ein, da sie meist gut im anschaulichen Vermitteln der Resultate seien: „Es ist leichter, diesen Leuten Forschung beizubringen als Forschern das Storytelling“. Einen Schritt weiter ging Susanne Wehde. Sie pochte darauf, dass es im ganzen Management eine Daten-Kompetenz geben müsse. „Früher waren die Mitarbeiter im Marketing sicherer, was Methoden betraf“, berichtet sie. Heute gebe es mehr Daten, aber weniger Kompetenz. Deshalb sei es so wichtig, dass zumindest jemand im Unternehmen diese Expertise besitze. Aber eigentlich müssten alle im Umgang mit Daten geschult werden.

Die Teilnehmer:

  • Michelle Gansle, Sr Director, of Foresight, Innovation and Portfolio Insights, Mars Wrigley
  • Susanne Wehde, International Customer & Market Insights and Analytics Manager, tesa Consumer & Craftsmen Division, tesa SE
  • Christine Möller, Head of Customer Insights (Central & Southern Europe), eBay
  • Moderiert wurde die Diskussion von Dr. Dirk Frank (ISM Global Dynamics) und Christoph Welter (Point Blank).