Systematik statt Geniekult

Buchkritik:

„Tranformationale Produkte“ von Matthias Schrader –

Die Gründer von Werbeagenturen haben schon immer gerne Bücher geschrieben. Und seid die Werbelegende Claude Hopkins Anfang des letzten Jahrhunderts „My Life in Advertising“ veröffentlichte, ähneln sich diese Bücher meist: Markige Sprüche, Erfolgsgeschichten, die eigene Arbeit – und das eigene Ego – im Fokus. Einige dieser Bücher sind lehrreich oder amüsant, nicht wenige eher nervende Eigenwerbung. Sicherlich werden David Ogilys Bücher heute noch gedruckt, verkauft und gelesen – aber wer hat die Werke von Reinhard Springer oder Jung & von Matt jemals ein zweites Mal in die Hand genommen? Derzeit wird das Buch eines anderen Agenturgründers in der Fachwelt gefeiert – und das zu recht.

Matthias Schrader, Gründer von SinnerSchrader, widmet sich in dem gleichnamigen Buch den „Transformationalen Produkten“. Der Titel macht schon deutlich, dass es hier weder um eine Personality-Show, noch um eine Agentur-PR-Broschüre geht. Schraders Werk ist ein ordentliches Fachbuch, detail- und kenntnisreich recherchiert, ansprechend dezent aufgemacht, klar und präzise geschrieben. Um was geht es? Schrader beschreibt Produkte und Dienstleistungen, welche die Erwartungen der Konsumenten erweitern und ihr Verhalten verändern – wie etwa das iPhone oder amazon. Sie führen zu neuen Geschäftsmodellen, wie wir sie heute überall beobachten können: Geld wird mit Plattformen erstellt, die offen sind und deshalb schnell und effizient die Kundenwünsche befriedigen können.

Der Begriff Plattform wird im Digital-Marketing ständig für ganz Unterschiedliches verwendet – Schrader sorgt hier für Klarheit und Definitionen. Das ist der große Vorteil des Buches – es erläutert Zusammenhänge und klärt Begriffe. Durch einen geschichtlichen Überblick der Digital-Wirtschaft, einem Glossar und umfangreiche, thematisch geordnete Literaturempfehlungen funktioniert es wie ein Lehrbuch (das genau die Aspekte abgedeckt, die man in den klassischen BWL-Büchern vergeblich sucht). Neben diesem Fachbuch-Teil, enthält das Buch auch ein an die Praxis gerichtetes „Playbook“, in dem die Methode erklärt wird, wie man transformationale Produkte entwickelt. Hier sind die Ausführungen teilweise sehr abstrakt, was verstärkt wird durch die vielen englischen Begriffe (für die sich Schrader im Vorwort sogar entschuldigt). Ob ein Leser durch die Lektüre des Playbooks tatsächlich bessere Produkte entwickeln kann, sei dahingestellt.

Auf jeden Fall wird er reflektierter und kenntnisreicher vorgehen. Dem Buch fehlt das missionarische und über-optimistische der amerikanischen Management-Literatur, die das Silicon Valley und die Start-up-Kultur als neues Heilsversprechen propagieren. Schraders Buch ist hier nüchterner und irgendwie auch technokratischer. Damit ist er vielleicht auch typischer Vertreter seiner Zeit – so wie die Bücher schreibenden Werbe-Gurus früherer Epochen. Nur das bei ihm nicht Genie und Ego im Vordergrund stehen, sondern sorgfältige Analyse und systematisches Durchdenken.

Matthias Schrader: Tranformationale Produkte – Der Code von digitalen Produkten, die unseren Alltag erobern und die Wirtshaft revolutionieren; Hamburg 2017, Next Factory Ottensen, 210 Seiten, 29,90 €, ISBN 978-3-9818711-0-4