Datenklau und Zica-Virus – BIG DATA WORLD 2017

In New York fand zum zweiten Mal eine Big Data Konferenz des Weltverbandes ESOMAR statt. Marktforscher diskutierten über Herausforderungen und Chancen der Hochzeit von Marktforschung und Big Data. Für die Fachzeitschrift Planung & Analyse berichtete ich direkt aus Brooklyn über den sehr interessanten Kongress.

„Wir müssen das Thema Datenschutz und Datensicherheit angehen, das Problem wird nicht verschwinden.“ So redete Jude Olinger, Gründer einer amerikanischen Marktforschungs-Beratung, seinen Kollegen bei der Konferenz „Big Data World 2017“ ins Gewissen. Schon jetzt könne er für kein Spitzen-Unternehmen arbeiten, wenn nicht eine seitenlange Checkliste zum Thema Datensicherheit komplett ausgefüllt wird. „Data Privacy“ und Datenklau waren ein Schwerpunktthema der Tagung, die von der internationalen Marktforschungs-Organisation ESOMAR vom 27. bis 29. November veranstaltet wurde. Es wurde auch über Probleme wie Datenklau und die Anforderungen der neuen EU-Datenschutzverordnung gesprochen. „Wir müssen alle ein Bewusstsein für Datenschutz entwickeln, auch wenn wir keine Juristen oder IT-Experten sind“, meinte Olinger.

Marktforscher müssen sich auf Big Data einstellen

Die Konferenz fand bereits zum zweiten Mal statt, nach der Premiere im letzten Jahr in Berlin war diesmal Brooklyn der Tagungsort. Rund 120 Teilnehmer aus aller Welt diskutierten über die Verbindung von klassischer Marktforschung mit neuen Formen und Quellen der Datenanalyse. Dass sich hinter den schillernden Schlagworten wie „Big Data“ und „Artificial Intelligence“ oft bewährte Methoden verbergen und neu lediglich die schnelleren Computer und die größere Speicherkapazität sind, machte Kyle Findlay in seinem Eröffnungsvortrag deutlich.

Der Leiter des südafrikanischen Data Science Teams von Kantar gab den Zuhörern Mut, selbstbewusst gegenüber den Software- und Data-Science-Leuten aufzutreten, doch sich auch auf die neue Situation einzustellen. Marktforschungs-Institute müssen sich mehr mit den Aspekten einer Multi-Daten-Welt beschäftigen: Agilität, Flexibilität, die Idee von Open-Source-Plattformen, Text-Mining, Dashboards und vieles mehr.

Ralph Wirth und David Kaufmann von Supercruch

© Dirk EngelRalph Wirth und David Kaufmann von Supercruch

Big Data zum Wohle der Menschen

Viele der Referenten auf dieser für ESOMAR-Verhältnisse eher kleinen Konferenz zeigten Beispiele aus ihrer Arbeit, darunter Lösungen für sehr spezifische Probleme. Maurico Moura aus Brasilien hingegen sprach von der gesellschaftlich positiven Funktion, die Big Data spielen könne: Die Aufgabe sei es, Menschen zu helfen, was er an einem sehr praktischen Beispiel verdeutlichte. Mit Hilfe von umfangreichen Datensammlungen (unter anderen Posts und Kommentaren aus sozialen Netzwerken) konnte die Ausbereitung des Zica-Virus in Brasilien erfolgreich bekämpft werden.

Natürlich kamen auch Marketing-Themen nicht zu kurz: Etwa die Messung des Markenerlebens über alle verstreuten Kommunikationskanäle hinweg oder der Einsatz von Virtual Reality beim Testen neuer Automodelle in Car Clinics.

Smart Data Integration

Gemäß dem Schwerpunktthema der Konferenz „Smart Data Integration“ beschäftigten sich viele Vorträge mit der Verbindung verschiedener Methoden – qualitative Forschung mit „Digital Forensics“ (dem Aufspüren von Erkenntnissen über Marken und Zielgruppen in Verhaltensdaten), Social-Media-Monitoring mit Typologien, Umfragen mit Online-Nutzungs-Daten, Kundendatenbanken mit digitalen Transaktionsdaten. Andere Referenten gaben eher einen Ausblick auf kommende Technologien – z.B. Addressable TV, Virtual Reality oder Eyetracking als Emotionsmessung. Dazu gehörte auch Paul Zikopoulos, Buchautor und IBM-Manager, der seine hauseigene Analyse-Software als eine Art lernendes Superhirn präsentierte, das nicht nur Trumps Wahlsieg voraussagte, sondern auch Bücher im Stile Hemingways schreiben kann.

Ganz anders war der Vortrag der deutschen Experten Ralph Wirth und David Kaufmann von Supercrunch, einem Unternehmen der GfK: Sie zeigten in einem interaktiven Workshop, wie Datenanalyse-Projekte sinnvoll und ergebnisfokussiert geplant werden können, in dem man den Prozess des Design-Thinking adaptiert. Mit Hilfe des Publikums wurden die ersten Schritte eines solchen Verfahrens ausgetestet.

Die zweite ESOMAR Big Data Konferenz findet in New York statt

© Dirk Engel

Die zweite ESOMAR Big Data Konferenz fand in New York statt. Das Programm war eine gute Mischung aus methodischen Spezialisten-Vorträgen und allgemeineren Überlegungen zu den vielen Facetten der Marktforschung in digitalem Zeitalter. Das führte zumindest ansatzweise zu einem Dialog von Data Scientists und Marktforschern, wobei allerdings die Data-Nerds im Vergleich zu den etablierten Researchern eher in der Unterzahl waren.

Zu allen Vorträgen gibt es Fachartikel, außerdem wurde die Konferenz im Video-Stream aufgezeichnet. ESOMAR-Mitglieder und Interessierte können kostenpflichtig darauf zugreifen – mehr dazu finden Sie hier.

Erschienen bei Planung & Analyse Online am 30. November 2017.