Das Beste am Gehirn sind seine Fehler

Buchkritik:

„Irren ist nützlich“ von Henning Beck –

Wissen Sie, was ein Science Slam ist? Er ist verwandt mit dem bekannteren Poetry Slam, eine Art öffentlichen Dichter-Wettstreit. Beim Science Slam treffen sich Wissenschaftler und versuchen, kurz und amüsant ihre Forschungsergebnisse vor Publikum zu präsentieren, das dann über den besten Beitrag abstimmt. Es ist eine eher ungewöhnliche, aber sehr unterhaltsame Art der Wissensvermittlung. Ein Meister dieses Formats ist Henning Beck, Biochemiker und Neurowissenschaftler, der sich in seinen Slam-Beiträgen besonders gerne mit dem menschlichen Gehirn beschäftigt. Eine Kostprobe seines Vortragsstils konnten die Besucher des jüngsten Screenforce Expertenforums erleben, wo er als Referent begeisterte. Wer dies verpasst hat, kann auch zu einem seiner Bücher greifen. Empfehlenswert ist das Taschenbuch „Irren ist nützlich!“

Zugegeben, Bücher über das Gehirn gibt es viele, das Angebot an populärwissenschaftlichen Titeln ist groß. Die meisten kommen aber nicht ohne neuroanatomische Details und Fachbegriffe aus. Das andere Extrem sind Bücher, die nur ein paar Neuro-Floskeln verwenden, ansonsten aber mit Wissenschaft nichts zu tun haben. Henning Beck gelingt das Kunststück, leicht verständlich und locker sein Thema zu vermitteln, ohne dabei zu sehr in die Tiefe zu gehen oder zu stark an der Oberfläche zu bleiben. In vierzehn Kapiteln zeigt er auf, zu welchen Leistungen – und zu welchen Fehlleistungen – unser Gehirn fähig ist. Jedes Kapitel ist einem Teilbereich unseres psychischen Erlebens gewidmet. Warum fällt kleinen Kindern das Lernen so leicht und Erwachsenen so schwer? Warum erinnern wir uns manchmal an Ereignisse, die gar nicht passiert sind? Weshalb sind Vorurteile gefährlich, obwohl wir ohne sie nicht auskommen?

Die Gliederung erlaubt es, einzelne Kapitel zu lesen, ähnlich der kurzen Slam-Vorträge. Psychologische Erkenntnisse werden aber nicht nur um ihrer selbst willen ausgebreitet, der Autor liefert gleichzeitig nützliche Lebenshilfe. Er gibt Tipps für Prüfungs- und Redeangst, wie man Ablenkungen vermeidet oder besser entscheidet. Dabei gibt es ein Leitmotiv in seinen Texten: Unser Denkorgan ist kein Computer, ihm fehlt Präzision und Geschwindigkeit. Aber gerade die vermeintlichen Schwächen machen es flexibel, anpassungsfähig und kreativ. Das führt zu auf den ersten Blick paradoxen Aussagen, wie zum Beispiel, dass unser Hirn ohne Zahlen am besten rechnet. Die in seinen Auftritten geübten Stilmittel machen den Text leichtfüßig und lustig: Anekdoten, Bilder, Vergleiche und nicht selten Kalauer sorgen für ein Lesevergnügen, das auch für Leser funktioniert, die schon mehr als ein Buch zur Neuroforschung gelesen haben.

Henning Beck: Irren ist nützlich – Warum die Schwächen des Gehirns unsere Stärken sind; München 2018, Goldmann Verlag; 352 Seiten, 10,00 €, ISBN 978-3-442-15958-1