Schulterblick zur TV-Forschung

Buchkritik:

„Werbewirkung im Fernsehen II“ von Andreas Fahr u.a. –

Um es gleich vorwegzunehmen: Das Buch ist kein Lehrbuch, kein Praxis-Ratgeber, populäres Management-Sachbuch. Es liefert keinen Überblick über Theorien und Methoden und keine Rezepte für erfolgreiche Werbung. Das Buch hat einen bescheideneren Anspruch und ist deshalb etwas eher Seltenes: Ein Einblick in die aktuelle wissenschaftliche Arbeit, ein Schulterblick in die Labore der akademischen Kommunikationsforschung. Die Autoren versammeln knapp zehn empirische Forschungsberichte – zumeist akademische Abschlussarbeiten von Studierenden. Diese Arbeiten behandeln unterschiedliche Aspekte der Werbewirkung von TV-Spots, doch haben sie eines gemeinsam: Es handelt sich um experimentelle Studien, bei denen einzelne Aspekte der Werbung isoliert und variiert werden, um sie dann entsprechend der Logik eines sozialwissenschaftlichen Experiments (mit Hilfe von Experimental- und Kontrollgruppen) in ihrer Wirkung zu untersuchen. Experimente sind eine der wenigen Möglichkeiten, etwas über Kausalität auszusagen.

Bei anderen Forschungsmethoden (z.B. bei der Analyse repräsentativer Umfragen) können wir nicht mit Sicherheit sagen, was Ursache und was Wirkung ist, ob das Huhn oder das Ei vorher da war. Ein Experiment liefert hier eine klare Aussage. Das Problem: Es handelt sich aber immer um Labor-Experimente in einem künstlichen Setting: Bei den hier vorgestellten sind Studierende die Versuchskaninchen. Wie die im Labor gefunden Effekte tatsächlich im Alltag anderer Bevölkerungsschichten auftreten, ist ein Punkt über den man diskutieren kann. Trotzdem sind Experimente wertvolle – und in der Mediaforschung viel zu selten eingesetzte – Studien, die uns helfen das Wie und Warum von Werbewirkung besser zu verstehen.

Doch kommen wir nun zu den Befunden: Die im Buch vorgestellten Studien behandeln so unterschiedliche Themen wie Gestaltungsmerkmale, Narrativität, Sonderwerbeformen, Split-Screens, Product Placement und Umfelder. Der Experimentalaufbau wird für jede Studie erläutert und die Ergebnisse im Hinblick auf die zugrunde liegenden Theorien und Hypothesen bewertet. Aus der Natur der Sache ergibt sich, dass nur bestimmte Indikatoren für Werbewirkung in solchen Settings erfasst werden können – Indikatoren wie kurzfristige Erinnerung und die Bewertung der Spots, die sich durch einfache Abfrage meist direkt nach dem Ansehen mit einem Fragebogen messen lassen. Andere KPIs – Käufe, langfristige Präferenzen, detaillierte Markenwahrnehmung – können in Laborexperimenten nicht erfasst werden. Doch trotz dieser methodisch notwendigen Limitationen sind die Ergebnisse interessant: Einige gängige Vorurteile – z.B. zur überlegenen Wirkung von teuren Splitt-Screens oder des Einflusses von passenden Programmumfelder – werden in Frage gestellt.

Die Autoren geben auch Hinweise zur kritischen Beurteilung und Anregungen für die weitere Forschung, denn das Publikum für dieses Buch sind in erster Linie Wissenschaftler. Als lobenswertes Zugeständnis für die Praktiker gibt es am Ende jedes Kapitels ein „Executive Summary“ mit den schlagwortartigen Ergebnissen der behandelten Studie. Im Schlusskapitel werden diese nochmal im Zusammenhang diskutiert – wobei auch die Befunde aus einem vor 19 Jahren erschienenen Vorgängerband (wo u.a. Themen wie Sex in der Werbung oder die damals innovativen Tandem-Spots untersucht wurden) berücksichtigt werden. Alles in allem ist das Buch für Werbepraktiker eine inspirierende Lektüre, wenn man sich auf die Wissenschaftlichkeit einlassen will. Wer sich da nicht herantraut, muss warten, bis die vorgestellten Ergebnisse in Lehrbücher und populärwissenschaftliche Veröffentlichungen aufgegriffen werden – was noch ein paar Jahre dauern kann. Wer jetzt mitreden will, sollte keine Angst haben, einen Blick in die Labore der Universitäten zu werfen.

Andreas Fahr / Verena Kaut / Hans-Bernd Brosius: Werbewirkung im Fernsehe II – Befunde aus der Medienforschung; Nomos Verlag (Schriftenreihe Angewandte Medienforschung), Baden-Baden 2014; Springer Gabler, Wiesbaden 2014, 240 Seiten, 39,00 €, ISBN 978-3-8487-1296-0