Bei Marktforschung winken viele ab: Zu teuer, zu aufwendig, zu verkopft. Doch Marktforschung ist keine teure Industrie, sondern in erster Linie eine Geisteshaltung. Dazu habe ich einen kurzen Artikel für das Unternehmermagazin „Der Mittelstand“ geschrieben.
Der Artikel ist in der aktuellen Ausgabe von „Der Mittelstand – Das Unternehmermagazin des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW)“erschienen (hier können Sie das gesamte Heft lesen). Wenn Sie hier klicken, bekommen Sie nur den Original-Artikel als PDF: Die_Stimme_des_Herrn_Der_Mittelstand_2-2013
Oder lesen Sie die ungekürzte Fassung gleich hier:
Die Stimme des Herrn
Verschaffen Sie der Stimme des Kunden Gehör!
Bei Marktforschung winken viele ab: Zu teuer, zu aufwendig, zu verkopft. Doch Marktforschung ist keine teure Industrie oder eine Wissenschaft, sondern in erster Linie eine Geisteshaltung.
Wer kennt das nicht: Eine wichtige Marketing-Entscheidung muss getroffen werden – etwa der Einsatz einer neuen Marketing- oder Werbemaßnahme. Doch die beteiligten Entscheider sind sich in der Bewertung nicht einig: Zahlenmenschen und kreative Geister haben unterschiedliche Vorstellungen, einige wollen Neues wagen, andere auf Bewährtes setzen. Nach einer Weile hat jeder seine Sichtweise dargestellt, neue Argumente kommen nicht auf den Tisch, doch die Fronten sind nach wie vor fest.
Die dringend zu fällende Entscheidung wird von Meeting zu Meeting geschoben. In so einer Patt-Situation wünscht man sich eine höhere Instanz, die hier ein endgültiges, aber weises Urteil fällt – so wie der biblische König Salomon, der wegen seiner Weisheit noch heute berühmt ist. Wer ist der weise König Salomon in Marketing-Fragen? Der Marketing-Leiter? Der CEO? Nun, es gibt nur eine solche Instanz, die immer das letzte Wort haben sollte: Der Kunde.
Die Sichtweise und Bedürfnisse des Kunden müssen bei jeder Marketing-Entscheidung berücksichtigt werden. Die Aufgabe, die Stimme des Kunden in jedem Meeting und jeder Leitungssitzung Gehör zu verschaffen, kommt der Marktforschung zu.
Zu langwierig, zu kompliziert – wirklich?
Marktforschung? Bei dem Wort zucken schon viele Mittelständler zusammen. Zu kompliziert, zu langwierig und zu teuer sei sie, nur etwas für die großen Autohersteller oder Konsumgüter-Konzerne. Marktforscher gehen an jedes Thema immer „verkopft“ heran, wollen viel Geld, um Probleme zu finden, doch fühlen sich für deren Lösung nicht zuständig. Stattdessen liefern sie hunderte Seiten mit Tabellen und Balkengrafiken ab, obwohl kein Mensch Zeit hat, die alle zu lesen.
Deshalb werden viele Entscheidungen im Marketing ohne Erkenntnisse aus der Marktforschung gefällt: Viele Entscheider vertrauen dann lieber ihrem Bauchgefühl.
Ihr Bauch gehört Ihnen!
Nichts gegen Bauchgefühl: Viele intuitive Urteile sind oft richtig, aber leider nicht immer. Besonders wenn Manager nur ihren eigenen Bauch vertrauen und vergessen, das ihre Kunden vielleicht ganz andere Bäuche – oder besser: Bedürfnisse und Erwartungen haben.
Bei einem kunden-zentrierten Marketing benötigt man aber Informationen über die drei M’s des Marketings: Motivation, Message, Media. Was treibt unsere Kunden an, unser Produkt zu kaufen? Welche Botschaften und Informationen müssen wir liefern, um diese Motivation anzusprechen? Welche Kanäle bevorzugen die Kunden, um diese Informationen zu bekommen? Marktforschung liefert Erkenntnisse zu diesen drei M’s.
Doch Forscher können manchmal das eigentliche Ziel aus dem Auge verlieren: rechtzeitig relevanten Input für Entscheidungen liefern. Ihre Aufgabe ist es nicht, die Wahrheit zu finden oder eine methodisch perfekte Studie zu entwickeln, die alle Fragen ein für alle Mal klärt. Markforschung ist keine abgehobene Wissenschaft, sondern praktische Entscheidungshilfe.
Erkenntnisse für jede Budgetgröße
Bleibt das Vorurteil, Marktforschung sei teuer. Und tatsächlich geben viele große Konzerne jährlich Millionen für Studien und Daten aus. Doch Marktforschung ist nicht nur eine milliardenschwere Industrie, sondern auch eine Geisteshaltung. Wer mit einem marktforscherischen Blick durch die Welt geht, seinen Kunden zuhört, ihnen die richtigen Fragen stellt, Informationen systematisch sammelt und einfach gut beobachtet, bekommt viele Erkenntnisse über seine Kundschaft.
Gute Manager machen das intuitiv, doch mit etwas Übung und den richtigen Werkzeugen kann das systematischer und damit auch erfolgreicher geschehen. Natürlich kosten bestimmte Studien ein gewisses Geld – etwa repräsentative Verbraucher-Befragungen. Doch nicht bei jeder Entscheidung benötigt man große repräsentative Stichproben. Motivationen kann man oft bei Gruppendiskussionen und wenigen qualitativen Interviews bekommen. Auch quantitative Daten lassen sich mit einfachen Mitteln erheben – etwa durch Online-Umfragen im Kundenstamm oder bei der Teilnahme an Mehrthemenbefragungen.
Außerdem liegen oft im Unternehmen bereits viele Daten vor, die jedoch nicht richtig analysiert werden – hier können statistische Verfahren noch verdeckte Zusammenhänge ans Licht bringen. Und viele Informationen über Zielgruppen, Konsummotive und Mediennutzung finden sich freiverfügbar im Internet oder bei Verlagen und Medienvermarktern, die damit ihre Werbekunden informieren. Für jede Budgetgröße gibt es Methoden und Forschungsansätze, die relevanten Input liefern.
Die Warum-Frage
Viele Manager sagen nun, sie reden doch regelmäßig mit ihren Kunden, was kann ein Marktforscher da noch mehr herausfinden? Aber stellen sie auch die richtigen Fragen? Eine Technik der psychologischen Interview-Führung ist das Laddering: Bei jeder Aussage des Befragten wird eine Warum-Frage nachgeschoben: Schritt für Schritt kommt man dadurch den Motiven des Befragten näher, lernt seine Werte und Wünsche kennen.
Wer sich dabei unwohl fühlt, auch die offensichtlichsten Antworten mit weiteren Warums zu hinterfragen, sollte sich von qualifizierten Marktforschern unterstützen lassen. Wer sich selbst darauf einlässt und etwas übt, bekommt viele neue Einsichten in die Seele seiner Kunden.
Marktforschung muss nicht teuer und kompliziert sein. Doch muss investiert werden: Nicht nur Geld und Zeit, sondern auch Gehirnschmalz – Nachdenken ist immer noch die wichtigste Methode. Versetzen Sie sich in ihre Kunden hinein und geben sie ihnen das letzte Wort bei allen Marketing-Entscheidungen.